Essen. Galeria Karstadt/Kaufhof schließt bis auf fünf alle Warenhäuser. Mit einem dramatischen Appell bittet der Betriebsrat die Politik um Hilfe.
Die Coronavirus-Krise zwingt den Essener Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof dazu, nahezu alle Filialen zu schließen. Wie aus einer Mitteilung an die Stammkunden vom frühen Donnerstag hervorgeht, bleiben die Standorte Bremerhaven, Chemnitz, Dresden, Erfurt und Leipzig Neumarkt geöffnet. Filialen mit Lebensmittelabteilungen seien „teilweise“ geöffnet. Im Laufe des Tages hieß es dann auf der Website der Kette, dass nur noch Erfurt geöffnet sei. Ein Sprecher des Unternehmens wollte sich dazu zunächst nicht äußern. Der Betriebsrat bittet indes um Staatshilfe für Galeria Karstadt Kaufhof und die insgesamt rund 30.000 Beschäftigten. Die Gewerkschaft Verdi warnt davor, dass die Corona-Krise ganze Handelsunternehmen ruinieren könne und fordert vom Bund einen Rettungsplan auch fpr Karstadt Kaufhof.
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„Leider müssen wir, den aktuellen Sicherheitsempfehlungen des Bundesgesundheitsministeriums folgend, die überwiegende Mehrheit unserer Filialen bis auf Widerruf schließen“, schreibt Galeria an die Kunden. Der Konzern verweist auf sein Internetangebot. „Unser Onlineshop Galeria.de bietet jedoch weiterhin (bis auf einige Einschränkungen bei der Lieferung von Speditionsware) das gewohnte Einkaufserlebnis und lädt Sie zum Stöbern, Entdecken und sorglosen Einkaufen ein“, heißt es in der Mitteilung.
Betriebsrat bittet Kanzlerin Merkel um Hilfe
Die Einstellung des größten Teils des stationären Verkaufs nimmt der Betriebsrat für einen dramatischen Hilferuf an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Fraktionen des Deutschen Bundestages zum Anlass. „Das Geschäftsmodell unserer Warenhäuser ist darauf ausgelegt und zwingend angewiesen, täglich Einnahmen zu erzielen, um Löhne, Steuern, Abgaben und fällige Lieferanten- und Versorger-Rechnungen zahlen zu können“, schreibt Jürgen Ettl, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Galeria Karstadt Kaufhof in einem offenen Brief.
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Die Geschäftsschließungen seien zwar eine „nachvollziehbar richtige Maßnahme zum Gesundheitsschutz der Gesellschaft“. Gleichzeitig sieht Ettl „den Fortbestand aller stationären Händler in Deutschland“ und damit 3,1 Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Allein bei Galeria Karstadt Kaufhof seien mehr als 30.000 Beschäftigte betroffen, so Ettl.
„Kurzarbeitergeld am besten sofort“
Um die Gehälter der Beschäftigten zu sichern, bittet der Betriebsrat um Direktzahlungen ohne bürokratischen Aufwand und unkompliziert bis zum 23. März 2020. Darüber hinaus fordert er Bürgschaften ohne Eigenbeteiligung der bundeseigenen Förderbank KfW und die Stundung der für März und April fälligen Zahlungen an die Sozialversicherungsträger und Finanzbehörden. Zudem solle das Kurzarbeitergeld „am besten sofort“ ausgezahlt werden.
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Die Mitarbeiter von Galeria Karstadt Kaufhof, deren Mehrheit nun offenbar keine Beschäftigung hat, sind nicht nur durch das Coronavirus gebeutelt. Die Fusion der früheren Konkurrenten hat etliche Hundert Stellen gekostet – vor allem beim Kaufhof. Die Karstadt-Mitarbeiter mussten zuvor über Jahre auf Gehalt verzichten, um ihren Beitrag zur Sanierung des Unternehmens zu leisten. „Seit 2004 leisten wir durch Lohn- und Gehaltsverzichte einen erheblichen Beitrag zum Erhalt von Arbeitsplätzen und des Unternehmens“, schreibt Betriebsratschef Ettl.
Erst im Dezember 2019 sei mit dem Unternehmen ein Haustarifvertrag abgeschlossen worden, der bis zum Jahr 2024 finanzielle Einbußen von elf Prozent vorsehe. Die Tarife von Karstadt und Kaufhof waren im Laufe der Fusion angeglichen worden. Karstadt-Mitarbeiter hatten zuvor bereits auf Geld verzichtet, Kaufhof zahlte dagegen nach Flächentarif.
Warenhäuser in deutschen Innenstädten seien ein „unverzichtbarer Bestandteil“, beschließt Ettl seinen Brief. Sie stünden nicht nur für Versorgung, sondern auch für Erlebnis, gesellschaftliches Leben und Lebensfreude. „Dies gilt es zu erhalten, da ansonsten die Innenstädte in Deutschland vereinsamen werden.“
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Im vergangenen Jahr hatte die Gewerkschaft Verdi lange mit der Geschäftsführung von Galeria Karstadt Kaufhof um ein Tarifwerk gerungen. Dabei gelang es ihr, eine Arbeitsplatz- und Standortgarantie für die Warenhäuser, Restaurants und Sportgeschäfte bis Ende 2024 auszuhandeln. Ob die Zusage auch für außergewöhnliche Zeiten wie die Corona-Krise gilt, blieb zunächst offen.
Stefanie Nutzenberger, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand, zeigte sich jedenfalls am Donnerstag alarmiert. „Diese Krise hat dramatische Auswirkungen auf einen großen Teil der Beschäftigten und Unternehmen des Einzelhandels. Das gilt auch für Galeria Karstadt Kaufhof, das Filialen aufgrund der Maßnahmen gegen Corona schließen muss“, sagte sie unserer Redaktion.
Verdi fordert Rettungsplan für Handelsunternehmen
Es sei „von höchster Dringlichkeit“, dass die Bundesregierung einen „unbürokratischen, unverzüglichen Rettungsplan“ für die Beschäftigten und Unternehmen ausarbeite. „Sonst erleben wir in wenigen Wochen, dass etliche Unternehmen ruiniert sind und die Beschäftigten keine Einkommen mehr haben. Das wird dann auch den öffentlichen Raum und unsere Städte drastisch verändern“, prophezeite Nutzenberger.
Der Handelsverband Deutschland rechnet durch die staatlich verfügten Geschäftsschließungen mit einem bundesweiten Umsatzausfall von rund 1,15 Milliarden Euro pro Tag oder sieben Milliarden Euro pro Woche. Nach einem Erlass der NRW-Landesregierung dürfen aktuell nur Lebensmittel- und Getränkehändler, Drogeriemärkte, Apotheken, Bau- und Großmärkte sowie Sanitätshäuser öffnen.