Hemer/Düsseldorf. Der weltgrößte Armaturenhersteller, die Grohe AG mit Sitz in Düsseldorf, setzt auf Digitalisierung des Bads – wenn es wirklich Sinn macht.
„Alexa, lass doch mal das Badewasser ein. 35,5 Grad bitte.“ Moderne Häuser sind schlau. Der Bewohner steuert mit dem Smartphone Musik, Licht und Heizung. Also warum nicht auch die Armatur an der Wanne? „Easy“, sagt Thomas Fuhr, Vorstandsvorsitzender von Grohe, und sieht dabei ziemlich gelassen aus. Denn easy heißt in diesem Fall: nicht nur denkbar, sondern machbar.
Gradzahl wird auf Armatur sichtbar
Grohe treibt die Digitalisierung des Badezimmers und der Küche voran. Schon jetzt können Hähne aus Hemer die exakte Wassertemperatur anzeigen, und zwar als LED auf der Armatur-Oberfläche. Dass die Kunden die Gradzahl mit der Stimme steuern, sei im Grunde auch kein Hexenwerk mehr, sagt Fuhr.
Der nächste Schritt ist die Vernetzung mit anderen schlauen Geräten. Die Verbindung mit Alexa gibt es bei Grohe noch nicht, aber die technische Umsetzung ist keine große Herausforderung mehr. Digitalisierung sei jedoch kein Selbstzweck, sagt Fuhr. „Man muss immer fragen, was der Mehrwert für den Nutzer ist.“ Die Temperaturanzeige auf dem Wasserhahn könne etwa beim Energiesparen helfen.
Derzeit gelingt es Grohe offenbar ganz gut, den Kunden vom Mehrwert der Produkte zu überzeugen. Die Geschäfte laufen. Genaue Zahlen will Fuhr nicht verraten, aber er sagt: „Wir wachsen stärker als der Markt.“ Und dieser legt seit geraumer Zeit jährlich um gut zwei bis drei Prozent zu; das Plus bei Grohe dürfte zwischen fünf und sechs Prozent liegen.
Seit Sommer 2019 Chef
Angesichts nach wie vor niedriger Zinsen hält der Bau- und Modernisierungsboom an. Im Geschäftsjahr 2018 erwirtschaftete Grohe einen Umsatz in Höhe von 1,23 Milliarden Euro, mehr als 70 Prozent davon in Europa, aktuellere Zahlen liegen offiziell noch nicht vor. Und wenn es in Deutschland nicht nach wie vor so schwierig wäre, schnell an einen Handwerker zu kommen, könnte die Bilanz noch besser aussehen. „Das ist ein echter Wachstumshemmer“, sagt Fuhr.
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Der gelernte Maschinenbauer, Jahrgang 1965, ist seit Mitte des vergangenen Jahres Chef von Grohe. Im Juli löste er überraschend den bisherigen CEO Michael Rauterkus ab. Zudem verantwortet Fuhr den weltweiten Produktbereich Armaturen der japanischen Grohe-Mutter Lixil, einem Baustoffkonzern mit mehr als 45.000 Mitarbeitern. Grohe selbst hat etwa 6000 Beschäftigte, davon 2400 in Deutschland.
Es ist noch nicht so lange her, da fürchteten hierzulande viele Mitarbeiter von Grohe, Lixil könnte das erst vor sechs Jahren erworbene Unternehmen wieder abstoßen, um die Anteilseigner ruhig zu stellen. Mitte 2019 notierte die Lixil-Aktie bei knapp über zehn Euro; binnen zwei Jahren hatte sich der Konzernwert mehr als halbiert. Nun aber binden die Japaner Grohe mehr und mehr ein - was sicher auf die guten Zahlen aus Deutschland zurückzuführen ist, aber auch auf den Weltruf und das Know-how des Armaturenherstellers mit den Wurzeln im Sauerland.
Neues Werk in Europa
Grohe baut seine Keramiksparte aus. „Wenn das Wachstum sich in diesem Bereich weiter so positiv entwickelt wie bisher, werden wir mittelfristig in Europa ein neues Werk errichten“, sagt Thomas Fuhr. Wo genau das sein wird, stehe aber noch in den Sternen.
Fuhr soll jetzt in Amerika und Asien Dampf machen. Für Armaturen sieht der Manager dort „sehr große Wachstumschancen“. Das bedeutet zuerst: die Produkte auf die Kundenwünsche hin auszurichten. Der Verbraucher erwarte in Amerika andere Armaturen als in Europa, nämlich klassischer im Design. Einhebelmischer finde man dort kaum. „Unsere Herausforderung ist es also, moderne Inhalte in klassische Formen zu integrieren“, sagt Fuhr. Zudem spiele das Thema Farben eine immer größere Rolle, und zwar nicht nur jenseits des Atlantiks. Grohe hat deshalb im Werk in Lahr (Schwarzwald) gerade erst 25 Millionen Euro in die neue Farbtechnologie und in 27 neue Arbeitsplätze gesteckt.
Ab April alle Werke CO2-neutral
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Ebenfalls auszahlen sollen sich die Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Am 1. April, also in weniger als drei Monaten, müssen alle Grohe-Werke weltweit CO2-neutral produzieren - so fordert es der neue Chef. Gelingen soll das unter anderem über den Einsatz von grünem Strom, einer höheren Energieeffizienz bei der Produktion und über Ausgleichsmaßnahmen: Grohe unterstützt in Afrika ein Projekt zur Reparatur und Wartung von Bohrlöchern, die der Trinkwassergewinnung dienen, in Indien den Betrieb eines hydroelektrischen Kraftwerks, das Strom aus Kohlekraftwerken ersetzt.
Thomas Fuhr ist das ein persönliches Anliegen: „Ich will der Industrielandschaft zeigen: Es geht! Und die Kosten halten sich im Rahmen.“Beim Vermeiden von Plastik bei Verpackungen drückt Fuhr ebenfalls aufs Tempo. Er will den kompletten Verzicht. Da Armaturen verkratzen, wenn sie falsch gelagert werden, ist die Suche nach Alternativen aber gar nicht so leicht. Weil auf dem Markt bisher keine Lösungen in Sicht sind, ist Grohe in den Austausch mit Universitäten getreten: Die Forscher sollen helfen. Für Alexa ist das eine Nummer zu groß.