Essen. Überraschender Wechsel bei Thyssenkrupp: Aufsichtsrat Grolms, einer der wichtigsten Gewerkschafter im Konzern, wird Vorstand der Stahlsparte.

Bei Thyssenkrupp wechselt ein wichtiger Arbeitnehmervertreter überraschend vom Konzern-Aufsichtsrat in den Vorstand der Stahlsparte. Markus Grolms, bislang stellvertretender Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, wird am 1. April neuer Personalchef für das Stahlgeschäft mit rund 28.000 Mitarbeitern und großen Werken in Duisburg, Bochum und Dortmund. Er folgt auf Sabine Maaßen, die in den Vorstand des Autobauers Audi wechselt. Mit Grolms verlässt einer der einflussreichsten Gewerkschafter im Konzern das Thyssenkrupp-Kontrollgremium.

Neuer Aufsichtsratsvize bei Thyssenkrupp wird Jürgen Kerner, der Hauptkassierer der IG Metall. Er ist für die Gewerkschaft bereits im Aufsichtsrat von Siemens. Am Freitag steht die Hauptversammlung von Thyssenkrupp im Bochumer Ruhrcongress an – der letzte Auftritt von Grolms in seiner aktuellen Funktion. Er werde sein Mandat zum Ende der Hauptversammlung am 31. Januar niederlegen, teilte das Unternehmen mit.

Als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats hat Markus Grolms bei Thyssenkrupp für die IG Metall bislang eine Schlüsselrolle übernommen. Nach dem Rücktritt von Ulrich Lehner als Aufsichtsratschef hatte Grolms in der Konzernkrise im Sommer 2018 zwischenzeitlich sogar die Führung des Kontrollgremiums übernommen – eine ungewöhnliche Rolle für einen Gewerkschafter.

„Starker und streitbarer Kämpfer für die Interessen der Arbeitnehmer“

„Manager können wegrennen. Unsere Leute in den Werken und Verwaltungen können das nicht. Aus Sicht der IG Metall ist klar: Wir lassen die Beschäftigten nicht im Stich“, sagte Grolms in einem bemerkenswerten Interview nach dem überraschenden Rückzug der langjährigen Vorstands- und Aufsichtsratschefs Heinrich Hiesinger und Ulrich Lehner.

„Markus Grolms war im Aufsichtsrat stets ein starker und streitbarer Kämpfer für die Interessen der Arbeitnehmer, aber auch ein zuverlässiger Partner für die Entwicklung von Thyssenkrupp“, sagt Aufsichtsratschef Siegfried Russwurm angesichts des bevorstehenden Wechsels von Grolms. „Beleg dafür ist nicht zuletzt, dass er im Sommer 2018 in schwieriger Lage zwischenzeitlich als stellvertretender Vorsitzender umsichtig und konstruktiv die Führung des Aufsichtsrats übernommen hat. Damit hat er dem Unternehmen einen großen Dienst erwiesen. Wir sind sehr froh darüber, dass uns Markus Grolms für das Unternehmen erhalten bleibt.“

Harte Sanierung in der Stahlsparte erwartet

Derzeit ist der Gewerkschafter, der in Gelsenkirchen wohnt, in zahlreichen wichtigen Ausschüssen des Thyssenkrupp-Aufsichtsrats vertreten, so im Präsidium sowie im Personal- und im Prüfungsausschuss, außerdem in dem Gremium, das sich mit der Strategie, den Finanzen und Investitionen des Essener Industriekonzerns mit weltweit rund 160.000 Mitarbeitern befasst. Grolms ist seit dem Jahr 2009 im Aufsichtsrat von Thyssenkrupp und war eigentlich bis 2024 für das Gremium vorgesehen.

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Als Nachfolger von Sabine Maaßen in der Stahlsparte von Thyssenkrupp wechselt Grolms nun ins Management des Konzerns. In dem montanmitbestimmten Geschäft kann traditionell die Gewerkschaft über die Position des Personalchefs bestimmen. Nach dem Scheitern der Pläne für eine Fusion mit dem indischen Konzern Tata in Europa ist die Stahlsparte mit großen Standorten in Duisburg, Bochum und Dortmund das alte und neue Kerngeschäft von Thyssenkrupp. Allerdings steht auch eine harte Sanierung an, die Grolms als Personalvorstand mitorganisieren muss. Durch die Stahlherstellung auf Basis von Wasserstoff will sich das Unternehmen praktisch neu erfinden.

Gewerkschafter mit Ausbildung zum Konfliktberater

Bei der IG Metall hat Grolms, der 1971 in Wesel geboren wurde, eine lange Laufbahn absolviert. Für die Gewerkschaft engagierte er sich unter anderem in den Krisen um Nokia in Bochum und BenQ in Kamp-Lintfort. Derzeit ist Grolms, der unter anderem Sozialpsychologie studiert und eine Ausbildung zum Konfliktberater absolviert hat, beim Vorstand der IG Metall in Frankfurt tätig.

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Bei Thyssenkrupp läuft ohnehin ein personeller Umbruch. Auch auf der Seite der Anteilseigner im Konzern-Aufsichtsrat stehen zahlreiche Veränderungen an. Drei der amtierenden Kapitalvertreter werden sich nicht wieder zur Wahl stellen: der Bochumer Professor Bernhard Pellens, Carola von Schmettow von HSBC Trinkaus & Burkhardt und Jens Tischendorf vom Finanzinvestor Cevian. Für ihre Positionen schlägt der Aufsichtsrat der Hauptversammlung die langjährige Ford-Managerin Birgit A. Behrendt, Cevian-Partnerin Friederike Helfer und Innogy-Finanzchef Bernhard Günther zur Wahl vor.

Jürgen Kerner, der künftig die Interessen der IG Metall im Thyssenkrupp-Aufsichtsrat vertritt, ist gelernter Informationselektroniker und zuständig für die Bereiche Finanzen, Controlling und IT der Gewerkschaft. Kerner habe als Aufsichtsratsmitglied bereits den Umbau verschiedener großer deutscher Konzerne begleitet, wird in einer Mitteilung von Thyssenkrupp betont. Dass Kerner künftig auch im Kontrollgremium des Essener Konzerns aktiv sein wird, bezeichnet Aufsichtsratschef Russwurm als „ein starkes Signal“.