Essen. Vor der Kommunalwahl fallen in den Städten Entscheidungen zu RWE: Bochum und Düsseldorf sind ausgestiegen, Essen bleibt. Dortmund erwägt Zukäufe.
Als Konzernchef Rolf Martin Schmitz vor wenigen Wochen auf dem Essener Firmencampus die Strategie der „neuen RWE“ vorstellte, mischten sich auch Mitglieder des Aufsichtsrats unter die Zuhörer. Der frühere Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske war ebenso mit von der Partie wie der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau und die ehemalige Mülheimer Stadtchefin Dagmar Mühlenfeld. Es kam einem Schulterschluss gleich: Dortmund und Mülheim sind große Aktionäre im Kreise der Ruhrkommunen, die an RWE beteiligt sind. Der Einfluss von Verdi im Unternehmen ist traditionell groß.
Andere Akteure stehen nicht so treu an der Seite des Essener Energiekonzerns: Die Stadt Düsseldorf hat vor wenigen Tagen ihre letzten RWE-Aktien verkauft und mehr als 155 Millionen Euro erlöst. Das Geld helfe beim Ausgleich eines zu erwartenden Verlustes der Rheinbahn AG, teilte die Landeshauptstadt mit. „Die RWE-Aktien haben wir von Anfang an als Finanzbeteiligung behandelt, die wir ideologiefrei im Interesse der Stadt zu managen haben“, so Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Bochum ist bereits vor einigen Wochen bei RWE ausgestiegen, und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster will sich ebenfalls von Anteilen am Energiekonzern trennen.
Thema RWE könnte im Kommunal-Wahlkampf eine Rolle spielen
Die Städte Dortmund und Essen bekennen sich dagegen klar zum Konzern. Kurzum: Das Machtgefüge bei RWE verschiebt sich. In neun Monaten – am 13. September 2020 – stehen in NRW Kommunalwahlen an.
Wie sich die Oberbürgermeister in Sachen RWE positionieren, dürfte auch im Wahlkampf eine Rolle spielen. In Bochum beispielsweise tritt der Amtsinhaber Thomas Eiskirch (SPD) auch als Oberbürgermeister-Kandidat der Grünen an, die eine kommunale Beteiligung an RWE seit geraumer Zeit kritisch sehen.
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Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) hält dagegen. „Wer Klima- und Standortpolitik machen will, muss bei RWE dabeibleiben“, sagt Sierau im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Dividenden der RWE tragen zur Deckung unseres Defizits im schienengebundenen ÖPNV bei und befördern so die lokale Klimastrategie.“ Dortmund benötige auch keinen Verkauf von RWE-Aktien, um den städtischen Haushalt zu sanieren.
Sierau erwägt sogar den Kauf weiterer RWE-Anteile. „Es gibt gute Argumente für einen Zukauf von Aktien“, betont der Dortmunder Oberbürgermeister im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich halte es für sehr erwägenswert, den Aktienbestand aufzustocken.“
Mit dem Konzernnachbarn Eon hat sich RWE auf eine weitreichende Neuverteilung der Firmenaktivitäten geeinigt. RWE-Chef Schmitz will nun sein Unternehmen als einen der global führenden Ökostrom-Produzenten profilieren. Der Konzern sei gestärkt und entwickle sich „fundamental weiter“, sagt Sierau. „Das Unternehmen erfindet sich neu. RWE hat ein riesiges Potenzial.“
Stadt Essen hält an RWE-Beteiligung fest
Mit einem Anteil von 3,8 Prozent ist Dortmund größter kommunaler Einzelaktionär des Essener Energiekonzerns. Über ihr Tochterunternehmen KEB Holding halten die Dortmunder Stadtwerke DSW21 mehr als 23 Millionen RWE-Aktien. „Wir stehen zu RWE“, stellt Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke klar.
Auch die Stadt Essen will an RWE beteiligt bleiben, wie Essens Kämmerer Gerhard Grabenkamp gegenüber unserer Redaktion betont. „Die betriebswirtschaftlichen Argumente sind ausschlaggebend“, erklärt er. Die
RWE-Aktie stehe mit 18,97 Euro in den Büchern der Kommune. Bei einer zu erwartenden Gewinnausschüttung von 80 Cent je Aktie ergebe sich eine Dividendenrendite von 4,28 Prozent. Nach Berechnungen des Kämmerers wäre es ein Minusgeschäft, den Erlös aus einem etwaigen Verkauf zur Schuldentilgung einzusetzen. „Es wäre betriebswirtschaftlicher Unsinn, in Essen RWE-Aktien zu verkaufen.“
Größter RWE-Aktionär ist aktuell die internationale Investmentgesellschaft Blackrock mit 6,52 Prozent, wie aus einer Übersicht auf der Website der Finanzaufsicht Bafin hervorgeht. Als zweit- und drittgrößte Anteilseigner folgen Dortmund und – mit 3,26 Prozent – die Stadt Essen.
„Jetzt aus RWE auszusteigen, ist kontraproduktiv für das Klima“
„Ich nehme den Einfluss der Kommunen bei RWE als nicht mehr so bedeutend wie in der Vergangenheit wahr“, sagt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Kommunen seien „ein Aktionär wie jeder andere auch“.
Umwelt- und Menschenrechtsgruppen wie die Organisation Urgewald machen indes auch bei den kommunalen Geldhäusern Druck und fordern einen Ausstieg bei RWE. Die Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment verteidigt sich: „Jetzt aus RWE auszusteigen, ist kontraproduktiv für das Klima“, sagt ein Deka-Sprecher. „Wir geben unseren Einfluss als Aktionär auf und können den Wandel des Konzerns nicht mehr begleiten. Und wie soll der Konzern in umweltfreundliche Energien investieren, wenn die Anleger gerade jetzt aussteigen und ihm damit den Geldhahn zudrehen?“