Essen. Evonik-Chef Kullmann attackiert Fridays for Future und spricht von „Klimahysterie“. Manager übernimmt den Vorsitz beim Chemieverband.

Der Vorstandschef des Essener Chemiekonzerns Evonik, Christian Kullmann, geht auf Konfrontationskurs zur Klimaschutzbewegung Fridays for Future. „Ich empfinde das, was Greta Thunberg mitunter sagt, als unverfroren“, sagte Kullmann mit Blick auf die Vorkämpferin der Bewegung in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Sie unterstellt, dass ich mich als Vorstandsvorsitzender wie ein Schuft verhielte und ihrer Generation die Zukunft rauben würde“, so Kullmann. „Das ist für mich Hysterie und Polemik, ich weise das scharf zurück. Ich arbeite doch auch dafür, meinen beiden Töchtern eine Zukunft in einer intakten Umwelt und mit attraktiven Jobs in diesem Land zu ermöglichen.“

Für Unternehmen der Chemieindustrie, die ihre Geschäfte „mit dem langen Blick betreiben“, sei Nachhaltigkeit schon immer ein Leitmotiv, betonte Kullmann. Je effizienter ein Unternehmen werde, desto profitabler sei es auch, und desto mehr Forschung und Entwicklung könne sich eine Firma leisten.

„CO2-Moleküle tragen keine Nationalflaggen“

 Christian Kullmann ist Vorstandsvorsitzender von Evonik
Christian Kullmann ist Vorstandsvorsitzender von Evonik © FFS | Michael Gottschalk

„Wir haben Klimahysterie“, kritisierte Kullmann in der SZ. „Wir führen eine in weiten Teilen unsachliche, moralisierende Debatte. Es gibt Strömungen, die alle Entscheidungen einem einzigen Thema unterordnen wollen. Doch ein moralisches Bewusstsein darf nie dazu führen, dass man sich über Recht, Gesetz oder Vernunft stellt. Und die Vernunft sagt: Es wird sehr viel Geld kosten, Industrie und Wirtschaft umzubauen. Sehr viel Geld kann nur in die Hand nehmen, wer erfolgreich wirtschaftet.“ Das gelte nicht nur für Deutschland, „denn CO2-Moleküle tragen keine Nationalflaggen. Im Alleingang können wir überhaupt nichts ändern“.

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Auch die Grünen griff der Evonik-Chef scharf an. „Ich habe kürzlich Grünen-Chefin Annalena Baerbock im Fernsehen gehört“, sagte Kullmann. „Ihre Kurzfassung war: ,Wir wissen es besser. Wir müssen der Industrie sagen, was sie wie produzieren soll.‘ Das finde ich bizarr.“ Die Chemieindustrie sei in den vergangenen 30 Jahren deutlich produktiver geworden und habe zugleich Energiebedarf und Emissionen stark reduziert – und zwar „in der Zeit vor Greta“.

Evonik-Chef Kullmann gilt als Favorit für VCI-Vorsitz

Kullmanns Äußerung sind auch vor dem Hintergrund von anstehenden Veränderungen im Verband der chemischen Industrie (VCI) bemerkenswert. Der Evonik-Chef soll vorzeitig den amtierenden VCI-Präsidenten Hans Van Bylen ablösen, der beim Henkel-Konzern ausscheidet. Kullmann stelle sich auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 25. März zur Wahl, teilte der VCI mit. Rund 1700 Mitgliedsfirmen sind in dem einflussreichen Industrieverband vertreten. Die Branche setzte eigenen Angaben zufolge im vergangenen Jahr mehr als 204 Milliarden Euro um und beschäftigte rund 462.000 Menschen.

Der BVB-Sponsor Evonik ist einer der großen Arbeitgeber im Ruhrgebiet. Weltweit beschäftigt das Unternehmen mehr als 32.000 Mitarbeiter, 12.500 davon in NRW. Große Standorte befinden sich in Essen und Marl. Die Produktpalette von Evonik ist breit: Erzeugnisse des Chemiekonzerns tragen Unternehmensangaben zufolge unter anderem dazu bei, Windeln saugfähiger, Autoreifen spritsparender, Flugzeuge leichter oder Autolacke kratzfester zu machen. Das Geschäft mit Tierernährung – unter anderem in der Hühnerzucht – gehört zu den wichtigen Sparten von Evonik.

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Bereits vor einigen Monaten hatte Evonik-Chef Kullmann den Abbau von konzernweit 1000 Arbeitsplätzen verkündet. „Damit waren wir gut auf das vorbereitet, was uns 2019 ereilt hat“, sagte Kullmann in der „Süddeutschen Zeitung“ angesichts der konjunkturellen Abkühlung. „Evonik ist zwar nicht in einer Krise, aber wir bereiten uns auf eine Krise vor“, fügte Kullmann hinzu. „Ich kann Ihnen nicht sagen, ob es 2020 Bauklötzchen regnen oder Backsteine hageln wird. Aber wir müssen das Unternehmen so vorbereiten, dass wir nicht böse überrascht würden, wenn Backsteine runterkommen.“