Essen. Wie geht es weiter bei Thyssenkrupp? Krupp-Stiftungschefin Gather meldet sich zu Wort. In der Villa Hügel sorgt Medienkritik für Gesprächsstoff.
Der Empfangssaal der Villa Hügel ist hell erleuchtet. Die Gemälde und Wandteppiche erscheinen in bestem Licht. Für die Gäste liegen Notizblöcke mit den drei Ringen des Hauses Krupp bereit. Die Botschaften, die an diesem Abend vom Hügel ausgehen, lassen sich sogleich verewigen. Es sind seltene Momente, in denen sich Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather in aller Öffentlichkeit zur Lage des Unternehmens zu Wort meldet. Vor der Verleihung des Krupp-Förderpreises tut sie es.
Wieder einmal befindet sich der traditionsreiche Essener Stahl- und Technologiekonzern mit weltweit mehr als 160.000 Beschäftigten in einer brenzligen Lage. Die Firma ist in die Verlustzone gerutscht, hohe Schulden belasten den Betrieb. Geld soll in die Kasse kommen, indem sich der Konzern teilweise oder sogar ganz von der lukrativen Aufzug-Sparte mit rund 50.000 Mitarbeitern trennt. Das Stahlgeschäft mit großen Werken in Duisburg, Bochum und Dortmund ist indes als das alte und neue Kerngeschäft von Thyssenkrupp auserkoren. Eine harte Sanierung zeichnet sich ab. 6000 Arbeitsplätze sollen wegfallen.
„Dividendenlose Jahre mitgetragen“
Unumwunden spricht Gather von einer „besonders schwierigen Zeit“, der Vorstand von Thyssenkrupp müsse nun „schnell und klug handeln“. Die neue Konzernchefin Martina Merz kann die Ausführungen im Festsaal der Villa Hügel verfolgen. Danach stellt sie sich den Kuratoriumsmitgliedern der Stiftung vor, darunter Susanne Henle, Tochter des langjährigen Stiftungschefs Berthold Beitz, und der Wirtschaftsweise Christoph M. Schmidt. Gathers Stellvertreter, der 96-jährige Astrophysiker Reimar Lüst, sitzt ebenfalls mit am Tisch. Er führt den wissenschaftlichen Beirat der Stiftung.
In ihrer Rede geht Gather auf die lange Tradition der Großaktionärin ein, die seit mehr als 50 Jahren „an der Seite von Thyssenkrupp“ steht. In seiner 200-jährigen Geschichte habe das Unternehmen „schon viele Umbrüche gemeistert“, sagt sie. Die Stiftung wiederum habe auch „dividendenlose Jahre mitgetragen“. Dabei sei sie doch auf die Dividende angewiesen, sie habe „sonst keine Einnahmequellen“, um ihre Rolle als gemeinnützige Stiftung zu erfüllen.
Preisträger per Telegramm informiert
Seit Beginn ihrer Tätigkeit im Jahr 1968 waren es rund 670 Millionen Euro, die aus der Stiftungskasse für Projekte in den Bereichen Wissenschaft, Kunst, Kultur, Bildung, Gesundheit und Sport flossen. So vergibt die Stiftung einmal im Jahr den mit einer Million Euro dotierten Krupp-Förderpreis. Traditionell wird der Geehrte, in diesem Jahr der 38-jährige Experimentalphysiker Christian Groß, vorab mit einem Telegramm informiert.
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Bei der Feier in der Villa Hügel sorgt der „Festvortrag“ von Ute Frevert vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung für Gesprächsstoff. Er dreht sich unter anderem um die Rolle vermeintlicher „Sensationsjournalisten“. Auch Ursula Gather hat unlängst das Verhältnis der Medien zur Stiftung thematisiert. In einem Brief an die Mitarbeiter von Thyssenkrupp beklagte sie Mitte Oktober, die anstehenden Veränderungen im Konzern würden „breit“ und „nicht immer korrekt in der Öffentlichkeit debattiert“. Sie wolle daher „einige Dinge gerade rücken“.
Erster großer Auftritt von Martina Merz steht bevor
Zuvor hatte es Spekulationen über Rufe von Aktionären nach einer Sonderausschüttung im Zusammenhang mit einem möglichen Verkauf der Aufzug-Sparte gegeben. „Ich bin ehrlich gesagt hoch irritiert darüber, dass so etwas ohne jede Grundlage in die Welt gesetzt wird“, sagte Gather in einem FAZ-Interview. „Uns als Steigbügelhalter des Kapitals zu bezeichnen, weil wir da mitgemacht hätten, das ist so grotesk – dafür habe ich keine Worte.“ Derart drastisch äußert sich die Stiftungschefin in der Villa Hügel nicht. „Wir vertrauen auf eine redliche Zusammenarbeit mit den Medien“, sagt sie lediglich.
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Dem Thyssenkrupp-Vorstand, den nun Gathers ehemalige Aufsichtsratskollegin Martina Merz führt, gibt die Großaktionärin Rückendeckung. Die Begrüßung ist herzlich. Gather betont, sie werde schon aus aktienrechtlichen Gründen, aber auch aufgrund der Gemeinnützigkeit der Stiftung „keinen direkten Einfluss auf die operative Arbeit des Vorstands“ nehmen. Wie Martina Merz Thyssenkrupp umbauen will, dürfte in einer Woche deutlicher werden. Für den kommenden Donnerstag ist die Bilanzpressekonferenz im Essener Konzernquartier geplant.
Update, 21. November: Auch in der Essener Firmenzentrale will Thyssenkrupp hunderte Arbeitsplätze abbauen. Lesen Sie dazu:
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