Essen/Düsseldorf. Die NRW-Landesregierung plant ein Hilfspaket für die Stahlindustrie. Wirtschaftsminister Pinkwart will Thyssenkrupp Investitionen ermöglichen.
Die NRW-Landesregierung will ein Hilfspaket für die heimische Stahlindustrie schnüren. „Wir wollen die Stahlindustrie dabei unterstützen, trotz der bestehenden großen Herausforderungen Investitionen in Zukunftstechnologien zu tätigen“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) im Gespräch mit unserer Redaktion. In den kommenden Jahren seien milliardenschwere Investitionen erforderlich, damit Stahlunternehmen wie Thyssenkrupp künftig weitgehend klimaneutral produzieren können, erklärte Pinkwart zur Begründung.
„Unser Ziel sind Förderinstrumente, um Innovationen in der Stahlindustrie voranzutreiben“, betonte der Minister. Es gehe nicht um Subventionen für den Erhalt von Strukturen, wie es in früheren Jahren beispielsweise bei der Kohle der Fall war. „Uns geht es darum, den Wandel durch Zukunftstechnologien zu begünstigen, etwa durch den Einsatz von Wasserstoff bei der Stahlproduktion.“ Der Ansatz sei nicht, das Alte zu erhalten, „sondern Neues zu schaffen“.
NRW-Wirtschaftsminister knüpft Förderung an Bedingungen
Neben dem Land NRW können Pinkwart zufolge sowohl die Europäische Union als auch der Bund „wichtige Beiträge leisten“. Als Beispiele nannte er Themen wie Entlastungen beim Strompreis sowie den CO2-Zertifikaten, Förderungen von Zukunftsprojekten und die Entwicklung von Finanzierungsinstrumenten, die auf die Stahlindustrie zugeschnitten seien. „Voraussetzung für staatliche Zusagen sollte ein klarer Fahrplan der Unternehmen für einen nachhaltigen Umbau sein“, hob Pinkwart hervor. Zur Höhe einer möglichen finanziellen Förderung äußerte er sich noch nicht.
Thyssenkrupp sei beispielhaft für die Herausforderungen der energieintensiven Branchen, sagte Pinkwart. Wenn es nicht gelinge, Unternehmen aus diesem Bereich im Land zu halten, „werden sie auf Dauer anderswo fertigen – und zwar mit einer höheren Umweltbelastung“. Umgekehrt gelte: „Gelingt uns hier der Umbau, entsteht weltweit ein Wettbewerb um die beste klimaneutrale Technologie und in der Folge die Chance auf eine weltweite Reduzierung der Treibhausgase mit einer starken und umweltfreundlichen Industrie bei uns.“
Deutschland ist Europas wichtigster Stahlstandort
In Europa ist Deutschland Branchenangaben zufolge der größte Stahlhersteller. Mit fast 85.000 Mitarbeitern arbeitet etwa jeder vierte europäische Stahl-Beschäftigte in der Bundesrepublik. In Duisburg befindet sich der wichtigste europäische Stahlstandort. Vertreten sind neben Thyssenkrupp auch Arcelor-Mittal und die Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM), an denen der niedersächsische Konzern Salzgitter beteiligt ist. Thyssenkrupp ist unlängst wieder in die roten Zahlen gerutscht. Eine harte Sanierung zeichnet sich ab.
Pinkwart erinnerte daran, dass auch die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) angetreten sei, um den Klimaschutz zu intensivieren. „Ein Wandel der Stahlindustrie in Richtung Klimaneutralität kann zu diesem Ziel erheblich beitragen“, sagte der FDP-Politiker. Das NRW-Wirtschaftsministerium entwickle gerade Vorschläge, die das Land in einem „Zukunftsprogramm für die Stahlindustrie“ bündeln wolle. Dazu stehe das Ministerium in engem Kontakt zum Bund und der Europäischen Kommission.
Pinkwart grenzt Stahl-Hilfen von Kohle-Subventionen ab
„Ziel der Anstrengungen von EU, Bund und Land sollte sein, Innovationen in der Stahlindustrie gezielt zu unterstützen, um die Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze in einem wichtigen industriellen Bereich zu sichern und neue Perspektiven zu entwickeln“, sagte Pinkwart. Hochleistungsfähige und innovative Stähle seien künftig wichtiger denn je. Bei den erneuerbaren Energien, im Maschinenbau und der Autoindustrie habe die Werkstoffkompetenz eine wachsende Bedeutung. „Der Stahl ist – anders als die Kohle – ein hoch moderner Werkstoff mit großem Entwicklungspotenzial“, betonte der NRW-Wirtschaftsminister.
„Um bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein, müssen wir nun die richtigen Weichen stellen“, mahnte der NRW-Wirtschaftsminister. In der Zeit des Übergangs sei es zudem erforderlich, die Stahlindustrie vor einer Überlastung bei den CO2- oder Energiekosten zu schützen. „Wenn wir das klimaneutrale Zeitalter mit einer funktionsfähigen Wirtschaft erreichen wollen, dürfen wir Unternehmen wie jene aus dem Stahlbereich, die unter einem hohen Veränderungsdruck stehen, nicht überfordern“, so Pinkwart.
Thyssenkrupp-Vorstandsmitglied Oliver Burkhard reagierte erfreut über den Vorstoß der NRW-Landesregierung. „Gutes Signal für Thyssenkrupp aus Düsseldorf“, schrieb Burkhard beim Kurznachrichtendienst Twitter. Er dankte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Pinkwart für die „angekündigte Unterstützung“. Die Belegschaften hätten „gute Nachrichten (mal wieder) verdient“, fügte Burkhard hinzu.
Thyssenkrupp hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen aus eigener Produktion und eingekaufter Energie um rund 30 Prozent zu senken. Derzeit fallen pro Jahr etwa 24 Millionen Tonnen Kohlendioxid an. Ab dem Jahr 2050 will Thyssenkrupp klimaneutral sein, also in Summe keine Emissionen mehr verursachen.
Stahlproduktion auf Wasserstoff-Basis angestrebt
Mit dieser Zielsetzung läutet der Revierkonzern auch das Ende der Hochöfen ein, bei deren Produktion Kohlendioxid-Emissionen unvermeidlich sind. Um Klimaneutralität zu erreichen, müsste Thyssenkrupp sämtliche Hochöfen durch sogenannte Direktreduktionsanlagen auf Wasserstoffbasis ersetzen. Langfristig will der Konzern „grünen Wasserstoff“ statt Kohlenstoff einsetzen, so dass bei der Stahlerzeugung erst gar kein CO2 entsteht. Ein Wasserstoff-Pilotprojekt für den Hochofen 9 in Duisburg-Hamborn hat das Unternehmen bereits präsentiert.
„Den Koks in der Stahlproduktion durch Wasserstoff zu ersetzen, ist machbar, aber auch eine gewaltige Herausforderung“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart. „Um heute die Produktionstechnologien von morgen zu entwickeln, sind deshalb Anschub-Förderungen erforderlich.“ Die deutsche Stahlindustrie habe dabei die Chance, weltweit Technologieführer zu werden. „Den Wettbewerb um die niedrigsten Kosten werden wir ohnehin nicht gewinnen.“