Essen. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart im Interview zur Krise von Thyssenkrupp: Pinkwart hält Milliarden-Investitionen für den Stahl für erforderlich.

Angesichts der Krise von Thyssenkrupp dringt die NRW-Landesregierung auf einen sozialverträglichen Umbau des Konzerns. „Wir beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam und sind mit dem Management und den Arbeitnehmervertretern in enger Abstimmung“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) im WAZ-Interview. „Dabei hat ein sozialverträglicher Umbau des Konzerns für uns hohe Bedeutung.“ Erlöse eines Börsengangs oder aus möglichen Teilveräußerungen der Aufzugsparte „müssen in die Zukunftsfähigkeit von Thyssenkrupp insgesamt investiert werden“, forderte Pinkwart. „Nur so kommen sie auch den Beschäftigten und den Standorten zugute und stärken das Unternehmen langfristig.“ Im Stahlbereich seien im kommenden Jahrzehnt Milliarden-Investitionen erforderlich, damit Thyssenkrupp langfristig weitgehend klimaneutral produzieren könne.

Thyssenkrupp schreibt rote Zahlen. Es droht der Abstieg aus dem Dax. Stellenabbau steht bevor. Wie ernst ist die Lage?

Pinkwart: Das Unternehmen steht vor großen Herausforderungen. Wir sehen hier eine Industrie im Wandel. Bei Thyssenkrupp betrifft das viele Bereiche – den Stahl, die Autosparte und den Anlagenbau beispielsweise. Hinzu kommt, dass sich die Konjunktur abkühlt. Fehlinvestitionen früherer Jahre in Nord- und Südamerika belasten das Unternehmen bis heute. Wir haben als Landesregierung ein hohes Interesse daran, den Konzern so gut es geht dabei zu begleiten, aus sich selbst heraus neue Stärke zu entwickeln.

Der Aktienkurs von Thyssenkrupp ist massiv unter Druck geraten. Die Ratingagentur Moody’s hat die Kreditwürdigkeit des Konzerns herabgestuft. Läuft dem Unternehmen die Zeit davon?

Pinkwart: Es gilt, keine Zeit zu verlieren, um Thyssenkrupp nachhaltig aufzustellen. Dazu sind Restrukturierungen erforderlich, aber auch erhebliche Investitionen für die Zukunft. Hier sind insbesondere die Eigentümer gefordert.

Geld soll über einen Verkauf von Anteilen am lukrativen Aufzuggeschäft in die Kasse kommen. Investoren könnten eine Sonderausschüttung fordern.

Pinkwart: Erlöse eines Börsengangs oder aus möglichen Teilveräußerungen müssen in die Zukunftsfähigkeit von Thyssenkrupp insgesamt investiert werden. Nur so kommen sie auch den Beschäftigten und den Standorten zugute und stärken das Unternehmen langfristig. Im Stahlbereich sind im kommenden Jahrzehnt Milliarden-Investitionen erforderlich, damit Thyssenkrupp langfristig weitgehend klimaneutral produzieren kann.

Die Aufzugsparte ist das wertvollste Geschäft von Thyssenkrupp. Ausgerechnet von Anteilen in diesem Bereich will sich der Konzern trennen. Auch ein Komplettverkauf gilt als Option. Finden Sie das sinnvoll?

Pinkwart: Dieser besonders werthaltige Teil ist zentral für einen nachhaltig erfolgreichen Umbau des Konzerns und sollte dem Unternehmen dafür auch als Chancenkapital zur Verfügung stehen.

Hat Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff Ihre Unterstützung?

Pinkwart: Die Landesregierung unterstützt die Unternehmensleitung in ihren Bemühungen, gemeinsam mit den Beschäftigten und den Kapitaleignern ein zukunftsfähiges Konzept für Thyssenkrupp zu entwickeln.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Rechnen Sie mit weiteren Fusionen in der Stahlindustrie? Als denkbar gilt ein Zusammenschluss von Thyssenkrupp mit Salzgitter.

Pinkwart: Der Stahl ist ein unverzichtbarer Teil industrieller Wertschöpfungsketten, von denen viele Unternehmen und ihre Beschäftigten profitieren, etwa die Autoindustrie und Anlagenbauer. Im weltweiten Maßstab sind die deutschen Stahlhersteller jedoch eher klein. Zudem steht die Branche mit Blick auf noch ehrgeizigere Klimaziele in Europa vor erhöhtem Innovations- und Investitionsbedarf. Wo immer sich sozialverträgliche Möglichkeiten bieten, Synergien zu heben und die Innovationskraft durch Zusammenschlüsse zu stärken, sollte dies von den Unternehmensleitungen und Beschäftigten ernsthaft geprüft werden. Es sollte allerdings nicht dazu führen, dass notwendige Modernisierungen und Restrukturierungen zu lange aufgeschoben werden.

An Salzgitter ist auch das Land Niedersachsen beteiligt. Wie viel Hilfe des Landes NRW ist für Thyssenkrupp möglich?

Pinkwart: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, dies haben wir in der Vergangenheit auch hier in NRW schmerzhaft erfahren. Er kann sich allerdings sehr wirksam für beste Rahmenhandlungen, Infrastruktur, Bildung und Spitzenforschung sowie deren Transfer in starke Innovationen einsetzen. Daher kämpfen wir auf nationaler und europäischer Ebene dafür, dass der Stahl als hoch innovativer Werkstoff bei uns und europaweit eine gute Zukunft hat. Hierzu fördern wir Innovationen unter anderem mit unserer Initiative in4Climate und setzen uns beim Bund und der EU dafür ein, dass die besonderen Klimaschutzbeiträge der Industrie nicht zu Nachteilen im internationalen Wettbewerb sowie zur Verlagerung erhöhter CO2-Emissionen ins Ausland führt.

Spekulationen hat es auch zu einem möglichen Einstieg der Essener RAG-Stiftung bei Thyssenkrupp gegeben. Finanzkräftig genug wäre die RAG-Stiftung wohl für ein solches Manöver.

Pinkwart: Die Aufgaben der RAG-Stiftung sind klar geregelt: Sie muss ihr Geld so anlegen, dass die Folgekosten des Steinkohlenbergbaus dauerhaft und verlässlich finanziert und die Steuerzahler nicht zusätzlich belastet werden.

Bei Thyssenkrupp sollen 6000 Jobs wegfallen, davon 2000 Stellen im Stahlbereich. Zusätzlich stehen Geschäfte mit rund 9100 Beschäftigten auf dem Prüfstand – mit Werken in Duisburg-Hüttenheim, Olpe und Hagen. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Pinkwart: Wir beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam und sind mit dem Management und den Arbeitnehmervertretern in enger Abstimmung. Dabei hat ein sozialverträglicher Umbau des Konzerns für uns hohe Bedeutung. Angesichts der Größe des Unternehmens bei uns wie weltweit gehe ich davon aus, dass dies auch gelingen sollte. Das erfordert ebenso mutiges wie überlegtes Handeln.

Sind Transfergesellschaften geplant, um den Stellenabbau abzufedern und von Arbeitslosigkeit bedrohte Mitarbeiter in neue Jobs zu vermitteln?

Pinkwart: Das Thema ist nicht akut, bleibt aber im konkreten Bedarfsfall eine Option. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass das Unternehmen den notwendigen Umbau in bewährter Weise mit dem Sozialpartner in eigener Verantwortung gestalten kann.