Essen. Deka-Studie ermittelt Wertverlust der Spareinlagen. Was nach der Erhöhung der Strafzinsen durch die EZB noch droht – eine düstere Prognose.
Die Zinsflaute in Europa trifft die Sparer in Nordrhein-Westfalen sehr hart – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Deka Bank. Die NRW-Bürger verlieren demnach jährlich 6,8 Milliarden Euro an Kaufkraft, weil sie Geld zu niedrigeren Zinsen anlegen als es durch die Inflation an Wert verliert. Demnach büßt jeder Bürger im Durchschnitt 382 Euro pro Jahr ein, weil sich die Sparzinsen an der Nulllinie bewegen. Deka-Chefvolkswirt Holger Bahr befürchtet, dass der Wertverlust des Geldes in den kommenden Jahren auf 500 Euro pro Kopf und Jahr steigen kann, wie er unserer Zeitung sagte.
Das Wertpapierhaus der Sparkassen hat die Zinsen mit den Teuerungsraten verglichen und auf die Spareinlagen der Menschen in NRW hochgerechnet. Die knapp 18 Millionen Einwohner haben zusammen 456 Milliarden Euro in klassischen Anlagen geparkt – auf dem Konto, in Sparbriefen, Sichteinlagen, Bauspareinlagen und Termingeldern.
Steigender Wertverlust erwartet
Aussicht auf Besserung gibt es derzeit nicht – ganz im Gegenteil: Weil die Inflationsrate Prognosen zufolge 2020 leicht steigen soll und die Europäische Zentralbank (EZB) unlängst ihren Strafzins auf Einlagen der Banken im Zentralinstitut ein weiteres Mal angehoben hat, dürfte Erspartes künftig noch mehr an Wert verlieren. Banken müssen inzwischen auf bei der EZB geparktes Geld 0,5 Prozent Zinsen (vorher 0,4 Prozent) zahlen, geben entsprechend kaum noch Habenzinsen an ihre Kunden weiter. Üblich sind bei Filialbanken Sätze von 0,01 Prozent und darunter. Einige Sparkassen und Volksbanken haben ihre Zinsen etwa auf Tagesgeld ganz auf Null gesetzt.
„Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts erwarten wir keine Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank. Bei unverändertem Nullzinsumfeld erhöht sich in dieser Zeit der Kaufkraftverlust pro Jahr noch leicht, wenn die Inflationsrate sich der geldpolitischen Zielgröße von zwei Prozent annähert und sogar leicht darüber hinausgehen wird“, sagte Deka-Chefvolkswirt Holger Bahr unserer Zeitung. Seine Prognose: „Dann kann in einzelnen Jahren der Kaufkraftverlust sogar 500 Euro betragen.“
Zinswende erst Mitte der 20er Jahre
Erst in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre erwartet Bahr die Zinswende und damit eine Rückgang des Kaufkraftverlusts. „Die Lücke zwischen Inflationsrate und Tagesgeldzinsen dürfte freilich erst in gut zehn Jahren geschlossen werden“, warnt er. Sparer müssten sich also damit abfinden, „dass ihr Geld weiter an Wert verliert“. Es sei denn, sie lägen „ihre Risikoscheu ab und legen das Geld in Wertpapierprodukten an“, rät Bahr. Dies freilich nicht ohne Eigennutz, schließlich verkauft seine Bank vor allem Zertifikate und Investmentfonds.
NRW liegt beim Kaufkraftverlust knapp unter dem Bundesdurchschnitt von 404 Euro Kaufkraftverlust pro Kopf. Am meisten verlieren die Menschen in den wohlhabendsten Ländern Baden-Württemberg (491 Euro) und Bayern (478 Euro), am wenigsten in Berlin (270 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (289 Euro). Wer viel hat, verliert auch viel – und umgekehrt.
Die Inflationsrate soll steigen
Der Leitzins, den Banken bei der EZB zahlen müssen, um sich Geld zu leihen, liegt seit dreieinhalb Jahren bei null Prozent und wird absehbar dort bleiben. In Kombination mit den Negativzinsen für Einlagen will die Zentralbank damit erreichen, dass die Banken möglichst günstig Kredite vergeben, die Bürger mehr Geld ausgeben und die Unternehmen sich mehr Geld leihen und investieren. Das soll die Konjunktur und damit auch die Inflation antreiben. Die Zielmarke der EZB sind 2,0 Prozent Teuerung, im September lag sie in der Eurozone aber nur bei 0,9 Prozent, in Deutschland bei 1,2 Prozent.
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Weil die Zinspolitik der EZB bisher nicht den erhofften durchschlagenden Erfolg gezeitigt hat, verlieren Sparguthaben seit Jahren an Wert. Gleichzeitig haben die Banken und Sparkassen immer größere Probleme, mit ihrem Kreditgeschäft und den Einlagen noch Geld zu verdienen. Sie reagieren darauf mit der Schließung von Filialen und dem Abbau von Arbeitsplätzen. Zuletzt hat die Commerzbank angekündigt, 200 ihrer 1000 Filialen in Deutschland zu schließen und 4300 Stellen zu streichen.