Essen. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart (FDP) spricht sich für einen CO2-Preis aus. Einkommensschwache Haushalte will er aber nicht belasten.
Pendler, Mieter, Flugreisende – ein CO2-Preis, wie ihn NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fordert, hätte weitreichende Folgen für viele Bürger. Fahrer von spritfressenden Autos sollen künftig mehr zahlen. Es sei klar, dass von einem CO2-Preis auch „eine Lenkungswirkung“ ausgehen müsse, sagt Pinkwart in unserem Interview. „Bei der Tabaksteuer ist es doch ähnlich.“ Belastungen für einkommensschwache Haushalte und den Mittelstand sollten indes vermieden werden. Es habe durch die Energiewende „eine Umverteilung von unten nach oben gegeben. Das darf sich nicht fortsetzen“, sagt der Minister. Er fordert daher, die Stromsteuer auf nahezu Null zu senken sowie die Heizöl- und Heizgassteuer ganz abzuschaffen.
Herr Pinkwart, was halten Sie von einer CO2-Steuer?
Pinkwart: Die Klimaziele von Paris machen eine Umstellung auf eine weitgehend klimaneutrale Gesellschaft erforderlich. Ein CO2-Preis kann helfen, die Ziele besser zu erreichen. Er muss aber richtig gesetzt sein und möglichst international gelten. Klar ist: Wir dürfen die privaten Haushalte und den Mittelstand nicht zusätzlich belasten. Das geht am besten, wenn es keine zusätzliche Steuer, sondern eine Anlehnung am bereits bestehenden CO2-Zertifikatehandel in Europa gibt.
Warum?
Pinkwart: Wenn wir Klimaschutz wirksam erreichen wollen, benötigen wir Mengenziele für den Ausstoß von Kohlendioxid. Dies wäre mit einer Steuer nicht unmittelbar verbunden. Ein Handel mit CO2-Zertifikaten, die Jahr für Jahr reduziert werden, hätte eine viel größere Lenkungswirkung. Denn es gibt klare Anreize für die günstigste Vermeidung von CO2. Wer durch Innovation oder Verhaltensänderung weniger CO2 emittiert, wird belohnt. Am Markt bildet sich ein Preis für die Zertifikate, der steigt, wenn die vorgegebenen Klimaziele nicht erfüllt werden.
Gibt es in Deutschland zu wenig Klimaschutz?
Pinkwart: Wir müssen vor allem innovativer und effizienter werden. Zu Beginn der Energiewende stand der Abschied von der Kernenergie im Mittelpunkt, weniger eine CO2-Reduktion. Gleiches galt bei der Erhöhung der Mineralölsteuer, die nach dem Motto „Rasen für die Rente“ weniger das Klima als die Begrenzung der Lohnnebenkosten zum Ziel hatte. Jetzt sind alle überrascht, dass die Klimaziele in Gefahr geraten. Vor allem die Sektoren Wärme und Mobilität hinken hinterher. Beim Rückzug aus der Kohleverstromung geht NRW nun voran und senkt sie bis 2030 um bis zu zwei Drittel ab, um möglichst bis 2035 gänzlich darauf zu verzichten.
Mit einem CO2-Preis wird es Gewinner und Verlierer geben – oder?
Pinkwart: Ich fordere daher eine aufwandsneutrale CO2-Bepreisung. Das heißt: Es darf kein Draufsatteln auf die heute schon europaweit höchsten Energiepreise geben. Es geht nicht darum, die Staatskasse zu füllen: Mit der Einführung eines CO2-Preises müssen andere Belastungen wegfallen. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz werden einkommensschwache Haushalte und der Mittelstand bereits überdurchschnittlich belastet. Es hat eine Umverteilung von unten nach oben gegeben. Das darf sich nicht fortsetzen. Wir sollten im Gegenzug daher die Stromsteuer auf nahezu Null senken sowie die Heizöl- und Heizgassteuer ganz abschaffen. Das EEG sollte künftig – soweit überhaupt noch notwendig – aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden. Energie muss bezahlbar bleiben.
Für wen wird es teurer, wenn ein CO2-Preis kommt?
Pinkwart: Grundsätzlich gilt: Je höher die Emissionen, desto höher die Kosten. Dieses Prinzip gilt bereits über den europäischen CO2-Zertifikatehandel für Energieunternehmen und die Industrie, wobei es Begrenzungen für energieintensive Betriebe gibt, die stark vom Export abhängen, wie etwa die Stahl-, Aluminium und Chemieindustrie. Diese Betriebe dürfen nicht zusätzlich belastet werden. Es hilft nicht weiter, wichtige Industrien mit vielen Beschäftigten ins Ausland zu verdrängen, wo es weniger strengen Klimaschutz gibt. Die Sektoren Mobilität und Wärme haben wir hingegen bislang zu wenig berücksichtigt. Das muss sich bei einem CO2-Preis ändern.
Also müssen Berufspendler, die in einem schlecht sanierten Altbau wohnen, mit höheren Kosten rechnen?
Pinkwart: Das wollen und müssen wir vermeiden, indem es Entlastungen an anderer Stelle gibt, etwa beim EEG und der Stromsteuer. Zudem brauchen wir bessere Angebote im ÖPNV und Anreize für energetische Gebäudesanierungen. Besonders bei den Heizungsanlagen haben wir ein großes Effizienzpotenzial.
Sollten SUV-Fahrer mehr zahlen?
Pinkwart: Es ist klar, dass von einem CO2-Preis auch eine Lenkungswirkung ausgehen muss. Bei der Tabaksteuer ist es doch ähnlich: Sie ist hoch, weil von ihr ein gesundheitspolitisches Signal ausgeht. Wenn wir den Einsatz von Autos mit niedrigem CO2-Verbrauch belohnen wollen, muss sich das beim CO2-Preis niederschlagen. Im Übrigen würde die Elektromobilität aus erneuerbarem Strom durch eine Entlastung bei der Stromsteuer Impulse bekommen.
Sollte Flugbenzin weiterhin steuerlich begünstigt sein?
Pinkwart: Wenn es einen CO2-Preis auf Mobilität gibt, würde dies auch die Luftfahrtgesellschaften betreffen. Gerade hier ist eine internationale, zumindest jedoch europäische Lösung notwendig. Denn es macht ja keinen Sinn, wenn die Fluggäste demnächst von Maastricht aus fliegen, weil das Kerosin dort billiger ist. Das schadet dem Klima mehr als es hilft.
Was halten Sie von der Idee, den Bürgern am Ende des Jahres einen Scheck auszustellen, um Geld aus der CO2-Bepreisung zurückzuzahlen?
Pinkwart: Nichts. Der bürokratische Aufwand wäre enorm. Sinnvoller ist es, das Geld direkt bei den Bürgern zu lassen. Wir müssen den Dschungel an Steuern und Abgaben lichten und das ganze System einfacher machen.
Können Sie sich auch einen deutschen Alleingang in Europa vorstellen?
Pinkwart: Am besten wäre ein gemeinsames Konzept für Europa. In einem ersten Schritt könnten wir aber auch mit Nachbarländern wie Frankreich und den Niederlanden vorangehen. Weitere Länder könnten dann folgen.
Löst ein CO2-Preis alle Probleme beim Klimaschutz?
Pinkwart: Es kann nur eine von vielen Maßnahmen sein. Wir brauchen weniger Verbotsdebatten und mehr Begeisterung für das Thema sowie gezielte Anreize, um Wohnen und Mobilität schneller klimafreundlich zu gestalten. Im Rahmen der Ruhrkonferenz haben Herr Teyssen von Eon und ich eine Initiative zur Schaffung klimafreundlicher Quartiere in den Ruhrgebietsstädten angestoßen. Hier könnten durch Photovoltaik, Kraft-Wärme-Kopplung und Geothermie in Verbindung mit Elektromobilität bis 85 Prozent der notwendigen Energie in einem Stadtteil klimaneutral genutzt werden. Parallel unterstützen wir beispielsweise Thyssenkrupp bei der Vermeidung von CO2 in der Stahlproduktion – diese Woche hat das Unternehmen für Ersatz von Kohlenstoff durch Wasserstoff am Hochofen eine Förderzusage des Bundes erhalten.
Ministerpräsident Laschet hat betont, die NRW-Landesregierung wolle auch „das soziale Gewissen dieser Energiewende“ sein. Sind ihre Vorstellungen die gemeinsame Position der Regierung?
Pinkwart: Wir wollen die Menschen dabei auf jeden Fall mitnehmen und werden uns innerhalb der Landesregierung sicherlich bald auf ein gemeinsames Konzept zur CO2-Bepreisung verständigen, nachdem zwischenzeitlich ja alle Gutachten der Forschungsinstitute vorliegen.