Herne. Um die Gewerbeflächen-Not im Revier zu lindern, wird der Ruf lauter, Betreiber stillgelegter Kraftwerke zum Abriss der Ruinen zu zwingen.
Die Freude über das Job-Wunder an der Ruhr ist groß: Zwischen 2012 und 2017 sind hier 142.860 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen worden. 61 Prozent von ihnen, rechnet Wirtschaftsförderer Rasmus C. Beck vor, seien in Gewerbe- und Industriegebieten entstanden. Doch eben diese Flächen, auf denen sich Unternehmen ansiedeln können, gehen dem Ruhrgebiet aus. Der neuesten Erhebung seiner Business Metropole Ruhr (BMR) zufolge reicht der Vorrat gerade einmal noch für fünf Jahre. Wirtschaftsförderer und Kammern fordern deshalb die Ausweisung zusätzlicher Flächen, aber auch die Sanierung und Revitalisierung von Industriebrachen. Doch dafür fehlt das Geld.
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„Wer im Ruhrgebiet lebt, lebt in der Zukunft“, lobte NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach am Mittwoch das Revier. Die CDU-Politikerin machte im Rahmen der Vorstellung des aktuellen Flächenberichts in Herne aber eine entscheidende Einschränkung: „Innovation setzt Fläche voraus“, sagte sie. Und Fläche ist im Revier ein knappes Gut. Nach Berechnungen der BMR sind es noch rund 1000 Hektar, die sofort verfügbar sind und über keine Restriktionen wie Altlasten verfügen. Da 180 Hektar pro Jahr vermarktet würden, sei der Vorrat bald aufgebraucht. „Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen hängen von Flächen ab“, mahnt BMR-Geschäftsführer Rasmus C. Beck.
Ministerin: RVR muss Möglichkeiten nutzen
Den Hebel, mehr Gewerbeflächen auszuweisen, hat nach Einschätzung von Ministerin Scharrenbach der Regionalverband Ruhr (RVR) in der Hand. Der kommunale Verbund stellt gerade einen Regionalplan für das Ruhrgebiet auf. „Der RVR muss die Möglichkeiten des Landesentwicklungsplans nutzen“, fordert Scharrenbach. Die Landesregierung sei gerade dabei, die Landesplanung zu flexibilisieren.
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Doch der RVR steht mächtig unter Druck. Rund 5000 Einwendungen aus Wirtschaft, Kommunen und von Bürgern gegen den Regionalplan, der im Herbst 2020 verabschiedet werden soll, muss er bearbeiten. Wenige Stunden vor der Präsentation des BMR-Berichts verschickte der RVR am Mittwoch eigene Zahlen. Das Pikante daran: Der RVR ist die Muttergesellschaft der Ruhr-Wirtschaftsförderung BMR. Er geht davon aus, dass die Flächen im Ruhrgebiet rein rechnerisch zehnmal so lange - also mehr als 50 Jahre - ausreichen. Dabei rechnet der RVR zu den unstrittigen rund 1000 Hektar ohne Restriktionen 890 Hektar hinzu, die Unternehmen für Betriebserweiterungen zur Verfügung stehen. Darüber hinaus 2250 Hektar, die Städten zur Verfügung stehen und für die es nur zur Hälfte gültige Bebauungspläne gebe. Und schließlich 2260 Hektar, die im Rahmen des künftigen Regionalplans hinzukommen. Unter dem Strich kommt der RVR damit auf ein künftiges Flächen-Reservoir von 5400 Hektar.
Mülheim, Oberhausen und Gelsenkirchen gehen leer aus
Etlichen Revierstädten, darunter Mülheim, Oberhausen, Dinslaken, Gelsenkirchen, Marl und Recklinghausen, wird der Regionalplan aber nicht weiterhelfen. Für sie sind im Entwurf jeweils null Hektar zusätzliche Flächen vorgesehen. Profiteure wären dagegen Duisburg, Bochum, Dortmund und Hagen.
In der Debatte um die Gewerbeflächennot im Ruhrgebiet werden aber auch Rufe lauter, Betreiber auslaufender Kohlekraftwerke zum Abriss der Meiler zu zwingen. „Eine Abriss-Verpflichtung ist zu verhandeln, sonst wiederholen wir die Fehler des Strukturwandels“, sagt Bauministerin Scharrenbach. Bis heute habe das Revier mit baulichen Hinterlassenschaften der Kohle- und Stahlära zu kämpfen. Mit ihrer Forderung springt die CDU-Politikerin dem Herner Oberbürgermeister Frank Dudda (SPD) zur Seite, der über „unerfreuliche Gespräche mit Uniper“ klagt. Nach seinen Angaben will der Energiekonzern ein stillgelegtes Kraftwerk in Herne nicht abreißen, weil es dazu keine Verpflichtung gebe.