Essen. Eon will die RWE-Tochter Innogy übernehmen und zerschlagen. Doch die EU-Kommission hat Bedenken. Jetzt geht Eon-Chef Teyssen in die Offensive.

Der Essener Energiekonzern Eon will Zugeständnisse machen, um Bedenken der EU-Kommission gegen die geplante Übernahme der RWE-Tochter Innogy auszuräumen. „Wir haben kürzlich der EU-Kommission Vorschläge unterbreitet, um ihre nach wie vor bestehenden Bedenken hinsichtlich der geplanten Übernahme von Innogy auszuräumen“, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen.

In einer weitreichenden Übereinkunft haben Eon und RWE im vergangenen Jahr einen umfangreichen Austausch von Geschäftsfeldern vereinbart. Eon will die Strom- und Gasnetze sowie das Endkundengeschäft von Innogy übernehmen und die RWE-Tochter damit zerschlagen. Im Gegenzug erhält RWE die Stromerzeugung durch erneuerbare Energien von Eon und Innogy und wird zudem mit knapp 16,7 Prozent an Eon beteiligt. Den RWE betreffenden Teil des Geschäfts haben die EU-Kommission und das Bundeskartellamt bereits genehmigt – ohne Auflagen.

EU-Kommissarin Vestager ist am Zug

Derzeit nimmt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Pläne der beiden größten deutschen Energiekonzerne unter die Lupe. Die Dänin hat Ambitionen, neue Chefin der EU-Kommission in Brüssel zu werden. Respekt hat sie sich unter anderem mit ihrem Vorgehen gegen die US-Internetriesen Google und Facebook erworben. Vor wenigen Wochen untersagte Vestager die von Thyssenkrupp angestrebte Stahlfusion mit dem indischen Konzern Tata in Europa.

Als Tag der Entscheidung für Eon gilt bislang der 20. September. Zunächst steht ein so genannter Markttest an, bei dem die EU-Kommission ausgewählte Konkurrenten von Eon auffordert, zu den Vorschlägen des Unternehmens Stellung zu nehmen.

Eon erwägt Verkauf des Geschäfts mit Heizstrom

„Unsere Vorschläge sehen Veräußerungen im ungarischen Stromkunden-Geschäft und des Strom- und Gaskundengeschäftes von Innogy in der Tschechischen Republik vor“, sagte Teyssen. „Für Deutschland beziehen sich die Vorschläge auf das Geschäft mit rund 260.000 Heizstromkunden von Eon und den Betrieb von 32 deutschen Autobahn-Ladestationen für Elektrofahrzeuge.“

Nach Einschätzung des Ökostromanbieters Lichtblick reichen die Zugeständnisse von Eon nicht aus. „Wir halten die Vorschläge von Eon in Bezug auf Deutschland für notwendig und denken, dass diese in die richtige Richtung gehen“, erklärte das Unternehmen. „Allerdings sind wir auch der Ansicht, dass die jetzt angekündigten Zugeständnisse für Deutschland alleine nicht ausreichend wären.“

Abschluss der Transaktion „in der zweiten Jahreshälfte“

Nach dem Scheitern der geplanten Fusionen Siemens-Alstom und Thyssenkrupp-Tata am Widerstand der EU-Wettbewerbshüter hatte Eon-Finanzchef Marc Spieker Mitte Mai Zuversicht für die angestrebte Übernahme von Innogy demonstriert. Eon sei zuversichtlich, hierfür die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten. Auch Teyssen bekräftigte nun, er erwarte einen Abschluss der Innogy-Transaktion „in der zweiten Jahreshälfte“.

Kritik an dem Deal von Eon und RWE hatten unter anderem die auf Wettbewerbsrecht spezialisierten Juristen Andreas Lotze und Johannes Heyers von der Essener Kanzlei Aulinger geäußert. „Vor allem im Bereich Netz und Vertrieb werden die bisherigen Bemühungen der Liberalisierung des Energiemarktes mit dem beabsichtigten Vorhaben nahezu konterkariert“, urteilten sie.

Essener Kartellrechtler äußern Bedenken

Lotze sagte auf Anfrage unserer Redaktion, es sei zu begrüßen, dass nun „offenbar wenigstens das Thema E-Mobilität aufgegriffen werden soll“. Hier sollte es allerdings „um viel mehr als nur 32 Autobahn-Ladestationen gehen“. Nicht auszuschließen sei ohnehin, dass bei den Verhandlungen in Brüssel auch noch andere Komplexe auf den Tisch kommen oder gar schon sind, wie zum Beispiel die Trennung von einigen wesentlichen der rund 120 Stadtwerke-Beteiligungen.

Eon-Chef Teyssen beteuerte bei der Bilanzpressekonferenz im März, der Wettbewerb sei „auch in Deutschland in keiner Weise gefährdet“. Im deutschen Stromvertrieb werde es weiterhin einen scharfen Wettbewerb geben, weil jeder Kunde „praktisch in jedem Postleitzahlengebiet“ unter rund 100 Anbietern auswählen könne. Das für Eon wichtige Geschäft mit Stromnetzen sei ohnehin staatlich reguliert.