Essen. . Eon-Chef Teyssen im Interview: Bei der Übernahme der RWE-Tochter Innogy läuft es aus seiner Sicht rund – dennoch spricht er von einer Baustelle.

Am Ende eines historischen Jahres für Eon versprüht Konzernchef Johannes Teyssen Gelassenheit. Aus seiner Sicht lief es rund nach dem überraschenden Pakt von Eon mit dem langjährigen Rivalen RWE. Im neuen Jahr 2019 sollen die Beschäftigten von Eon und die Mitarbeiter der RWE-Tochter Innogy individuell Klarheit über ihre berufliche Zukunft im Konzern bekommen, kündigt Teyssen an. „Ich rechne auch mit ersten organisatorischen Zusammenführungen im Zuge der Innogy-Übernahme“, sagt Teyssen. „Die Baustelle wird 2019 eröffnet.“

Herr Teyssen, 2018 war für Eon ein verrücktes Jahr – oder?

Johannes Teyssen: Es war ein aufregendes Jahr. Dass sich ein Unternehmen eine Verdopplung vornimmt, kommt schließlich nicht alle Tage vor. Mit der geplanten Übernahme von Innogy und der Abgabe unserer Sparte für Erneuerbare Energien an RWE wollen wir für Eon ein neues Kapitel aufschlagen. Ich muss zugeben: Mir kommt es gelegentlich auch vor wie das Ende eines zehnjährigen Konzernumbaus.

Warum sprechen Sie von einem Ende? Der Umbau ist doch im vollen Gange.

Teyssen: Es ist doch wie beim Dombau. Auch am Kölner Dom wird noch gebaut. Das Entscheidende in unserem Fall ist: Der Bauplan steht, die Gerüste auch.

Bei allem Respekt: Ist das historische Bündnis von Eon und RWE auch ein Ausdruck von Schwäche? Müssen sich die beiden größten deutschen Energiekonzerne zusammentun, um bestehen zu können?

Teyssen: Etwas Demut ist sicher angemessen. Es hat Kraft gekostet, dass in der Energiebranche viele Wurzeln gekappt worden sind, etwa durch den Ausstieg aus der Kernenergie. In der geplanten neuen Aufstellung wollen wir für die Zukunft deutlich besser gerüstet sein.

Die Integration von Innogy laufe planmäßig, sagt Eon-Chef Johannes Teyssen.
Die Integration von Innogy laufe planmäßig, sagt Eon-Chef Johannes Teyssen. © Michael Gottschalk

Seit der Übereinkunft mit RWE sind mittlerweile einige Monate vergangen: Läuft aus Ihrer Sicht alles planmäßig?

Teyssen: Ja, die Vorbereitung der Transaktion läuft so, wie wir es uns vorgestellt haben. Ich freue mich, dass wir die nächsten Schritte gemeinsam und einvernehmlich mit dem Management von Innogy gehen – natürlich im Rahmen des kartellrechtlich Möglichen. Derzeit erledigen wir bei Eon unsere Hausaufgaben für die notwendige Prüfung der Wettbewerbsbehörden. Wir planen, die Unterlagen für das Verfahren in Kürze bei der europäischen Kartellbehörde einzureichen.

Durch die Innogy-Übernahme hat sich Eon viel mit sich selbst beschäftigt. Leidet darunter das tägliche Geschäft?

Teyssen: Nein, im Gegenteil: Wir machen große Fortschritte. In diesem Jahr haben wir unter dem Strich 150.000 neue Strom- und Gaskunden gewonnen, gut die Hälfte davon in Deutschland. Darauf können unsere Mitarbeiter stolz sein.

Den Streit um den RWE-Braunkohletagebau und die geplante Rodung des Hambacher Forsts konnte Eon als Beobachter verfolgen. Haben Ihnen die Probleme der Konkurrenz im Kampf um die Kunden geholfen?

Teyssen: Ich kann und möchte nur über uns sprechen. Wir sind jetzt ein anderes Unternehmen und stehen für die neue Energiewelt. Das ist auch bei unseren Kunden angekommen.

Aber ein reiner Ökostrom-Anbieter ist Eon nicht.

Teyssen: Es gibt doch gar nicht genug Ökostrom, um damit alle Verbraucher in Deutschland zu versorgen. Wir machen es so, wie es unsere Kunden wollen. Wenn sie insbesondere auf einen niedrigen Preis wert legen, haben wir entsprechende Angebote. Wir bieten aber auch reine Ökostrom-Verträge an.

Lassen Sie uns auf 2019 blicken: Können die Mitarbeiter von Eon und Innogy sorgenfrei auf das neue Jahr schauen?

Teyssen: Wir wollen durch die Übernahme von Innogy ein noch besseres Unternehmen werden – und damit möglichst viele Arbeitsplätze sichern und durchaus auch neue schaffen. Aber wir sind ehrlich: Es wird Überschneidungen in den Organisationen von Eon und Innogy geben, und an bestimmten Stellen gehen bei einer erfolgreichen Übernahme auch Arbeitsplätze verloren. Entscheidend ist, dass wir den Umbau sozialverträglich und anständig gestalten. Darauf können sich die Mitarbeiter verlassen.

Johannes Teyssen: „Wir fühlen uns dem Ruhrgebiet verpflichtet.“
Johannes Teyssen: „Wir fühlen uns dem Ruhrgebiet verpflichtet.“ © Michael Gottschalk

Gerade in Essen, wo sich beide Konzernzentralen befinden, gibt es nach wie vor große Sorgen bei den Beschäftigten.

Teyssen: Essen ist unsere Heimat, und wir fühlen uns dem Ruhrgebiet verpflichtet. Das werden wir bei der Ansiedlung wichtiger Zukunftsthemen besonders berücksichtigen. Uns ist auch nicht gleichgültig, was um uns herum geschieht. Daher engagieren wir uns auch vor Ort. Ein Beispiel, das mir sehr am Herzen liegt: In einem neuen Projekt unterstützen wir die Caritas und den Sozialdienst katholischer Frauen in Essen dabei, obdachlosen Mädchen und jungen Frauen ein Zuhause zu geben. Auch sozialer Einsatz gehört zu einem guten Arbeitgeber.

Wann bekommen die Beschäftigten individuell Klarheit über ihre berufliche Zukunft?

Teyssen: Diese Entscheidungen fallen 2019, allerdings voraussichtlich nicht vor dem Sommer. Ich rechne auch mit ersten organisatorischen Zusammenführungen im Zuge der Innogy-Übernahme. Um nochmal den Vergleich zum Dombau zu ziehen: Die Baustelle wird 2019 eröffnet.

Der Unternehmensname Innogy verschwindet, bleibt wenigstens die Marke?

Teyssen: Unsere Kollegen bei Innogy haben hervorragende Arbeit bei der Positionierung ihrer Marke geleistet. Aber klar ist: Die Leitmarke des Konzerns soll Eon sein – aber Innogy kann durchaus im Vertrieb eine der Marken sein. Mir ist klar, dass wir viel dafür tun müssen, damit wir als Unternehmen zusammenwachsen. Das braucht Zeit.

Der Vertrieb von Eon wird aus München gesteuert. Verschwindet daher der Innogy-Vertriebsstandort Dortmund?

Teyssen: Ich kann mir schwer vorstellen, wie es ohne einen dieser beiden Standorte gehen sollte. Dortmund hat für uns eine hervorgehobene Bedeutung. Ich habe die Stadt mittlerweile mehrmals besucht und bin mit Oberbürgermeister Sierau um den Phönix-See gelaufen, um mir vor Ort ein Bild zu machen. Mir ist um Dortmund nicht bange.

„Es ist wie in einer Ehe.“

Mit der Übernahme gehen zahlreiche Stadtwerke-Beteiligungen von Innogy an Eon über. Einige Stadtwerke haben aber aufgrund der veränderten Eigentümerstruktur Ausstiegsklauseln. Rechnen Sie damit, dass kommunale Betriebe Eon den Rücken zukehren?

Teyssen: Über echte Ausstiegsklauseln verfügen nur sehr wenige Stadtwerke – das hat Innogy bereits vor Monaten gesagt. Entscheidend ist aus meiner Sicht aber, dass wir gute Partnerschaft leben. Es ist wie in einer Ehe: Man muss sich – zurückhaltend formuliert – auch ein bisschen mögen. Uns geht es um ein Verhältnis auf Augenhöhe mit den Kommunen. Wir tun viel dafür, uns Vertrauen zu erarbeiten.

Über Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet ist Eon künftig auch am Essener Kohlekraftwerkskonzern Steag beteiligt. Passt die Steag zum neuen Profil von Eon?

Teyssen: Die Steag-Beteiligung der Stadtwerke geht uns nichts an. Die Investition in die Steag ist eine Entscheidung unserer kommunalen Partner, die wir respektieren. Auch bei einer Hochzeit bringt ja jeder Partner seine Familie mit.

Die Strom- und Gaspreise steigen derzeit auf breiter Front – bald auch bei Eon?

Teyssen: In meinen acht Jahren als Eon-Chef habe ich noch nie entschieden, ob wir die Preise erhöhen oder nicht. Diese Frage muss unsere hervorragende Vertriebschefin Victoria Ossadnik beantworten.

Was raten Sie ihr?

Teyssen: Meinen Rat braucht Victoria nicht. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass die Strom-Großhandelspreise in Europa spürbar steigen – unter anderem aufgrund der weltwirtschaftlichen Entwicklung.

Keine Preiserhöhung wegen der Innogy-Übernahme

Preiserhöhungen wegen der Innogy-Übernahme haben Sie aber im Frühjahr ausgeschlossen.

Teyssen: Dabei bleibt es auch. Unsere Kosten werden schließlich bei einer erfolgreichen Übernahme sinken.

Neben dem Netzgeschäft und dem Wettbewerb um Strom- und Gaskunden setzt Eon zunehmend auf Produkte oder Dienstleistungen rund ums Stromsparen oder intelligente Haustechnik. Kann Eon damit Geld verdienen?

Teyssen: Wir haben Bereiche wie das Geschäft mit Unternehmenskunden und mit Kommunen für CO2-neutrale Stadtviertel, die bereits sehr gut laufen. In manchen Bereichen leisten wir aber noch Aufbauarbeit. Wir müssen mitunter Lehrgeld zahlen und Produkte bei mangelndem Kundeninteresse vom Markt nehmen. Wenn wir Neues ausprobieren wollen, muss auch Scheitern erlaubt sein.

Kooperationen mit Microsoft und Google

Unlängst haben Sie eine Zusammenarbeit mit Microsoft verkündet. Eine gemeinsame Plattform soll den Energieverbrauch privater Haushalte steuern. Sind Sie offen für weitere Kooperationen?

Teyssen: Die neue Energiewelt funktioniert nur über Partnerschaften. In früheren Jahren waren wir Partnerschaften gegenüber nur mäßig aufgeschlossen und eher Kontroll-Freaks. Das ist mittlerweile völlig anders. Wir haben schon jetzt eine Vielzahl von Kooperationen, nicht nur mit Microsoft, sondern beispielsweise auch mit Google oder lokalen Handwerksbetrieben. Das zahlt sich aus.

Energieversorger treiben auch den Breitbandausbau in Deutschland voran – auch in Konkurrenz zu Konzernen wie Vodafone und Telekom. Was hat Eon vor?

Teyssen: Wir wollen unsere Breitband-Aktivitäten ausbauen. Schon jetzt betreiben wir in Deutschland 25.000 Kilometer Glasfaserleitungen – Tendenz steigend. Als Stromnetzbetreiber verfügen wir über große Erfahrungen im Geschäft mit Kabel-Infrastruktur. Insbesondere in ländlichen Regionen können und wollen wir daran mitwirken, die Breitbandversorgung zu verbessern. Wir haben gerade ein Projekt in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags in Brandenburg gewonnen. Ich freue mich, dass wir besonders die ländlichen Regionen an die digitale Welt anschließen können.

Sie haben unlängst angekündigt, Ende 2021 als Eon-Chef aufzuhören. Sind Sie etwa amtsmüde?

Teyssen: Quatsch. Ich habe eine Vorstandsaufgabe für volle drei Jahre, auf die ich mich freue – und es wird in den kommenden Jahren nicht an Arbeit mangeln.

Was ist persönlich Ihr guter Vorsatz fürs neue Jahr?

Teyssen: Jedes Jahr ein guter Vorsatz, das ist mir zu anstrengend – diesmal also keinen. Es gibt auch so genug zu tun.