Essen. In den Koalitionsgesprächen stellen Union und FDP die Förderung erneuerbarer Energien teils auf den Prüfstand. Die Hilfen für die Wachstumsbranche sollen gesenkt werden. DerWesten zeigt die Ziele der Parteien und die möglichen Folgen.
Erst im Mai hatte die FDP eine Wende vollzogen: Seitdem spricht sie sich für den Erhalt des Fördersystems aus. Die neue Bundesregierung dürfte die Solarstrom-Förderung kappen. Die Branche fürchtet Einschnitte. An der Börse sanken Aktienkurse von Solarfirmen.
Was ist „grüner Strom”?
Er stammt aus erneuerbaren Energiequellen: Wind, Sonne, Wasserkraft, Erdwärme, Biomasse (organisches Material wie Pflanzen und Holz). Voriges Jahr betrug der Ökostrom-Anteil am Gesamtverbrauch in Deutschland 15 Prozent. Fast die Hälfte des grünen Stroms kommt von Windrädern. Deutschland hat das langfristige Ziel, bis 2050 die Hälfte des Energieverbrauchs mit Ökostrom zu decken.
Wie wird bisher gefördert?
Das Hauptinstrument ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es legt fest, wie die Einspeisung von Ökostrom ins Netz vergütet wird.
Beispiel Solarstrom: Hausbesitzer mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erhalten je erzeugter Kilowattstunde Strom 32 bis 43 Cent – für den Zeitraum von 20 Jahren garantiert. Die Höhe der Vergütung hängt von der Wirtschaftlichkeit der grünen Energiequelle, der Anlagengröße und dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme ab. Im Klartext: Gepäppelt wird teure Technik. Sonnenstrom ist der teuerste Strom, Windenergie im Binnenland mit gut neun Cent Vergütung der günstigste. Die Vergütung sinkt von Jahr zu Jahr.
Was kostet die Förderung?
Bezahlt wird die Ökostrom-Förderung per Umlage und vor allem per Aufschlag auf die Monats-Stromrechnung. Die Strom-Abnahmepflicht verteuert Beschaffung und Transport der Energie. Laut Bundesumweltministerium kostete das EEG 2008 einen Musterhaushalt mit 3500 Kilowattstunden Stromverbrauch im Jahr rund 3,10 Euro je Monat. Dabei sind so genannte Preis dämpfende Wirkungen eingerechnet. Beispiel: Ökostrom ersparte 2008 den Import von Steinkohle und Erdgas im Wert von 2,7 Milliarden Euro.
Laut Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) müssen Stromverbraucher in Deutschland für zwischen 2000 bis 2008 installierte Solaranlagen 35 Milliarden Euro zahlen. Bisher seien davon sechs Milliarden Euro gezahlt. Der Großteil fließe in den nächsten 20 Jahren. „Von 2000 bis 2008 ist etwa zehn Mal so viel Windenergie erzeugt worden – für weniger als die Hälfte des Geldes.”
Was bringt die Förderung?
Arbeitsplätze, betont das Bundesumweltministerium. Zwei Drittel der fast 280 000 Stellen in der Branche seien auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz zurückzuführen. RWI-Forscher Frondel moniert aber, die Förderung grünen Stroms verhindere andere Jobs, da zum Beispiel weniger herkömmliche Kraftwerke gebaut würden.
In NRW profitieren vor allem Anlagenbauer von der Förderung, sagt das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien in Münster. 2007 arbeiteten in NRW erstmals über 20 000 Menschen in der Branche, ein Viertel davon in der Windenergie, dicht gefolgt von der Solarbranche. Der Umsatz stieg um 16 Prozent auf 5,5 Milliarden Euro.
Was wollen die Parteien?
Die FDP fordert, die Einspeisevergütung zu senken: Der technische Fortschritt mache die Ökostrom-Erzeugung günstiger. Ziel: Ökostrom soll schnell wettbewerbsfähig werden, also so viel wie herkömmlicher Strom kosten. Die Förderung solle alle zwei statt bisher alle vier Jahre auf den Prüfstand. Die FDP will mehr Geld in die Forschung stecken.
Die CDU ist vager: Sie will Ökostrom „zum Durchbruch” verhelfen und das „bewährte” Erneuerbare-Energien-Gesetz „weiterentwickeln”. CDU-Politiker warnen vor zu harten Einschnitten: Die Solarbranche schuf im Osten Deutschlands viele Arbeitsplätze.
Was sagen Experten?
Norbert Allnoch, Geschäftsführer des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien, plädiert für Augenmaß: „Für die Exportnation Deutschland wäre es fatal, würde die Bremsung zu scharf ausfallen.”
Eine gekappte Förderung bekämen vor allem Anlagenbauer zu spüren: „Das trifft den Mittelstand, der ja eigentlich Stammklientel von Union und FDP ist.”