Essen. Alfred Herrhausen wurde vor 20 Jahren von RAF-Terroristen ermordet. Der Chef der Deutschen Bank galt als Manager mit großem Verantwortungsbewusstsein. Der Essener setzte Maßstäbe, die den heutigen Managern vielfach entglitten sind. Eine Erinnerung.
Es ist gewiss Zufall, dass der 20. Jahrestag der Ermordung von Alfred Herrhausen in ein Jahr fällt, das durch die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gekennzeichnet war.
Es wäre aber sicherlich ein Fehler, diesen Zufall ungenutzt zu lassen und nicht an einen Menschen zu erinnern, der als Wirtschaftsführer, zuletzt als Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Maßstäbe gesetzt hat, die den heutigen Managern vielfach entglitten sind.
„Nicht schon wieder die allseits übliche Banker- und Managerschelte”, mögen da manche rufen. Stimmt, das muss aus einem solchen Anlass nicht sein. Es reicht, wenn man es mit Herrhausen hält, dem „vorwärtsgerichtete Ermutigung” lieber war als „rückwärtsgewandte Klage”.
Herrhausen, geboren und als Kind aufgewachsen in Essen, rechter Läufer in der Hockeymannschaft von Schwarz-Weiß Essen, übernahm Verantwortung, und dies längst nicht bloß für das Unternehmen, das ihn bezahlte. „Unternehmen tragen wesentlich zum Wirtschaftsklima bei”, sagte er im Februar 1989 anlässlich der Gründung des Initiativkreises Ruhrgebiet im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Meine Meinung ist: Wir müssen fragen, was können wir tun und wie können wir es richtig machen und nicht, was machen die anderen falsch.”
"Ich stehe zu meinen Empfindungen für das Ruhrgebiet"
In dem Gespräch mit der Wirtschaftszeitung, acht Monate vor seinem Tod, verwahrte sich Herrhausen gegen die Unterstellung, ein Wirtschaftsentscheider könne sich Gefühle nicht leisten, schon gar nicht solche, wie Herrhausen sie für das Ruhrgebiet empfand. „Man kann einen Menschen doch nicht in Teile zerlegen. Auch Topmanager können ihre Gefühle nicht morgens, wenn sie ins Büro gehen, in die Schublade legen und abends wieder herausholen, wenn sie nach Hause gehen. Ich stehe zu meinen Empfindungen für das Ruhrgebiet.”
Herrhausen, der als Studierender auf einer Zeche gearbeitet hat, wollte was tun fürs Revier. Und als Verfechter der sozialverpflichteten Marktwirtschaft fand er Mitstreiter mit dem Chef der Gewerkschaft Bergbau und Energie, Adolf Schmidt, dem Ruhrbischof Franz Kardinal Hengsbach und dem Vorstandsvorsitzenden von Veba, Rudolf von Benningsen-Foerder. Herrhausen, der seine berufliche Karriere bei der Ruhrgas AG und den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW) begann, lebte seine gesellschaftspolitische Verantwortung aber weit über das Ruhrgebiet hinaus.
Als Banker machte er sich gewiss nicht viele Freunde, als er einen teilweisen Schuldenerlass für Entwicklungsländer forderte. Und seine Ansicht zu Gewinnmaximierung, nicht „das letzte hinter dem Komma herauszuholen”, sondern vielmehr langfristig auf eine Pflege der gesellschaftlichen Verbindungen zu setzen, mutet im Jahr zwei der Finanzkrise aktueller an denn je. Herrhausen setzte den Geschäftsberichten der Deutschen Bank eine Stellungnahme zu allgemeinen gesellschaftlichen Themen voran. „Wir hoffen, dadurch zu einer sachdienlichen Diskussion beizutragen.”
In der Traueranzeige zum Tode von Herrhausen schrieb die Deutsche Bank damals: „Er fühlte sich verantwortlich für das Ganze. Er hatte die Fähigkeit und den Mut, diese Verantwortung zu leben.”
Herrhausens Geist allgegenwärtig
Was hätte Herrhausen wohl zu den Finanzalchimisten gesagt, die sich aus ihrer Verantwortung für Risikoanlage über trickreiche Finanzkonstrukte stahlen? Was zu der massenhaften Vergabe von Darlehen zum Hausbau an Menschen, die weder Arbeit hatten noch Eigenmittel? Oder was hätte der Mann, für den Freiheit und Verantwortung eineiige Zwillinge waren, zu Millionenabfindungen und Boni für Gescheiterte gesagt? Was zu einer Rendite von 25 Prozent?
Eines aber hätte Herrhausen gewiss erfreut. „Die Wirtschaft muss sich wieder stärker auf ihre Verantwortung für die Gesellschaft besinnen.” So steht es in einer Erklärung von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und vielen Managern, darunter Initiativkreis-Mitglieder wie Herbert Lütkestratkötter (Hochtief), Jürgen Großmann (RWE) Ekkehard Schulz (Thyssen-Krupp).
Jüngst, auf der Vollversammlung des Initiativkreises Ruhrgebiet, war Herrhausens Geist allgegenwärtig. „Was würde der Alfred wohl sagen, wenn er vom Himmel herabschaut und sieht, was wir hier machen: Ein Klavierfestival genügt nicht. Wir müssen endlich etwas bewegen”, hieß es.
Alfred Herrhausen ist heute vor 20 Jahren in Bad Homburg von Terroristen ermordet worden. Die Rote Armee Fraktion bekannte sich zu dem Sprengstoff-Attentat.