Wanne-Eickel. . Das System mit den Betonfertigteilen soll die Bauzeit deutlich verkürzen. Traditionskonzern aus Wanne-Eickel will an frühere Erfolge anknüpfen.

In Deutschland gibt es drei Bauprojekte, die einen deutlich erhöhten Schwierigkeitsgrad aufweisen: Am Flughafen Köln/Bonn wird die Hauptstart- und Landebahn saniert, in Hagen wurde die erste sogenannte Lego-Brücke in NRW fertiggestellt und bei Leverkusen wird die neue Rheinquerung der A1 gebaut.

Regie führt in allen drei Fällen die Heitkamp-Unternehmensgruppe aus Wanne-Eickel. Es ist ein deutliches Indiz dafür, dass der ehemalige Bauriese sich anschickt, an erfolgreiche Zeiten anzuknüpfen.

In den 80er-Jahren größte deutsche Bauunternehmen in Familienhand

Heitkamp – 1892 gegründet – war in den frühen 80er-Jahren das größte deutsche Bauunternehmen in Familienhand. 9000 Mitarbeiter erwirtschafteten damals einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde D-Mark. Heitkamp war am Bau des Gelsenkirchener Parkstadions beteiligt und zog die Kernkraftwerke Brunsbüttel, Stade und Philippsburg hoch. Den stolzen Heitkämpern fehlte es in jener Zeit an nichts. Selbst eine eigene Gärtnerei leistete sich der Konzern.

Doch 2007 geriet der Riese erstmals ins Wanken. Die Bergbausparte Deilmann-Haniel musste Insolvenz anmelden. Es war eine Pleite mit Spätfolgen, denn Ende 2011 fiel der Konzern auseinander. Die Muttergesellschaft meldete Insolvenz an. Die Gewinne, die die Töchter an sie abführten, reichten nicht mehr aus, um alte Schulden zu bedienen. Allerdings: Die einzelnen Sparten schrieben schwarze Zahlen, deshalb fanden die Insolvenzverwalter Käufer.

Deutscher Marktführer bei der Sanierung von Start- und Landebahnen

Die Bereiche Erd- und Straßenbau – die Heitkamp-Keimzelle – sowie die Umwelttechnik gingen 2012 an die Familien Stricker und Kranz. Seitdem arbeiten der Geschäftsführende Gesellschafter Jörg Kranz und der Geschäftsführer Claus Ostheide am „Bauplan Zukunft“, wie das Firmenmotto der Unternehmensgruppe lautet.

„Wir sind in unseren Geschäftsfeldern vorne mit dabei“, beschreibt Jörg Kranz die Entwicklung. Ein Beispiel ist der Auftrag am Flughafen Köln/Bonn. An 20 Wochenenden wird die Start- und Landebahn komplett saniert. In diesem Bereich gilt Heitkamp als deutscher Marktführer.

1892 in Wanne-Eickel gegründet

„Der Name Heitkamp hat nach wie vor einen guten Klang in Deutschland“, stellt Jörg Kranz fest, der 1987 als junger Ingenieur beim Unternehmen angefangen hat. Jedoch: „Allein mit Tradition bekommen sie keinen Auftrag.“ Also entwickeln die Heitkämper neue Konzepte, sind auf der Suche nach Innovationen. „Wir waren die ersten, die GPS im Asphaltbau eingesetzt haben.“ Und Heitkamp hat in Hagen die erste Legobrücke Deutschlands gebaut.

Brückenansicht der sogenannten Legobrücke bei der Verkehrsfreigabe in Hagen
Brückenansicht der sogenannten Legobrücke bei der Verkehrsfreigabe in Hagen © Jürgen Theobald

Dafür mussten zunächst fast 200 Betonfertigteile gegossen werden, an der A46 wurden sie dann ineinander gesetzt. Die Toleranz für Abweichungen liegt im Millimeterbereich, an der Baustelle lasse sich nichts mehr korrigieren, so Kranz. Mit diesem System, das aus den Niederlanden stammt, soll die Bauzeit deutlich verringert werden, in Hagen stand die Brücke in 100 Tagen. Von dem Pilotprojekt verspricht sich Kranz angesichts der Vielzahl maroder Brücken Wachstumspotenzial.

Mitarbeiter an der Firma beteiligt

Um neue Konzepte zu entwickeln, holt sich das Unternehmen seit einiger Zeit auch Stimmen von außen ins Haus – mit dem Heitkampus. Er dient seit 2016 als Plattform zum Wissenstransfer. In regelmäßigen Abständen tauschen sich Experten aus, sei es der Einsatz von Drohnen auf Baustellen, Steueraspekte bei der Projektentwicklung oder Arbeitsschutz. Über diesen Austausch könne man sich als Unternehmen präsentieren und näher an die Akteure heranrücken.

Nach den Worten von Kranz gibt es in der Branche kein vergleichbares Angebot – ebenso wie die jüngste Gesellschaft der Gruppe: Ende Februar war die Gründungsversammlung von „Heitkamp Productions“, mit der die Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt werden. Die Konstruktion ist – skizzenhaft – so aufgebaut: Wer länger als fünf Jahre im Unternehmen ist, darf sich an der Firma beteiligen. Nach den Worten von Jörg Kranz haben 80 Prozent dieser Mitarbeiter bei diesem Angebot zugegriffen. Die Beschäftigten sind zu 50 Prozent an Heitkamp Productions beteiligt. Pro Mitarbeiter mit 2600 Euro, die das Unternehmen als zinsloses Darlehen zur Verfügung stellt.

Bei guter Auftragslage profitieren die Beschäftigten

Die neue Firma wird Maschinen und Geräte übernehmen und diese an die Heitkamp-Unternehmensgruppe vermieten. Das heißt einerseits: Bei guter Auftragslage können die Beschäftigten von reichlich fließender Miete profitieren, andererseits motiviert diese Art der Beteiligung auch dazu, pfleglich mit den Maschinen umzugehen.

Die Entwicklung der gesamten Unternehmens-Gruppe lässt sich auch in Zahlen ablesen: Die Mitarbeiterzahl hat sich seit 2012 von rund 300 auf über 370 erhöht, die jährliche Bauleistung hat im vergangenen Jahr die Marke von 100 Millionen Euro überschritten. Das sind längst nicht die Größenordnungen der glorreichen 80er, doch Jörg Kranz schmiedet inzwischen Pläne, die bescheidene Firmenzentrale auf dem RAG-Standort Pluto zu erweitern.