Essen. . Thyssenkrupp erklärt nach Aufsichtsratssitzung: Noch im Juni soll es eine „abschließende Entscheidung“ zur geplanten Stahlfusion mit Tata geben.

Es sind komplizierte Verhandlungen, und der Zeitdruck ist groß. Um seinen Plan einzuhalten, bleiben Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger nur noch wenige Tage, um eine Einigung zur historischen Stahlfusion zu erzielen. Noch im Juni will Hiesinger den Vertrag mit dem indischen Konzern Tata unterschreiben. Entstehen soll Europas zweitgrößter Stahlkonzern mit 48 000 Mitarbeitern und Hochöfen in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden.

Nach wie vor laufen die Verhandlungen. Ein Knackpunkt ist, wie die Unternehmen, aus denen der neue Stahl-Gigant entstehen soll, bewertet werden. Geplant ist ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture), an dem Thyssenkrupp und Tata jeweils 50 Prozent halten. Doch in den vergangenen Monaten haben sich die Geschäfte der beiden Stahlschmieden unterschiedlich entwickelt. Bei Thyssenkrupp ging es bergauf, bei Tata bergab. Die Verschiebungen sollen nun berücksichtigt werden, bevor es zu einer Unterschrift kommt.

„Halten am Zeitplan fest“

Das Thema spielte am Mittwoch auch bei einer mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung von Thyssenkrupp eine Rolle. Ein Thyssenkrupp-Sprecher erklärte nach dem Treffen im Essener Konzernquartier: „Wir halten am kommunizierten Zeitplan fest und haben die Absicht, noch im Juni zu einer abschließenden Entscheidung zum Joint Venture zu gelangen.“ Zuvor hatte es Spekulationen gegeben, der Vertragsabschluss könnte sich erneut verzögern.

Offen ist, wie die sogenannte Bewertungslücke angesichts der unterschiedlichen Entwicklung der Stahlgeschäfte geschlossen werden soll. Theoretisch möglich, aber nicht wahrscheinlich, ist eine Verschiebung der Anteilsstruktur. Denkbar wäre auch, Thyssenkrupp zu ermöglichen, höhere Schulden im Joint Venture abzuladen. Bei Arbeitnehmervertretern von Thyssenkrupp würde dies wohl auf Widerstand stoßen. Schon jetzt sollen dem neuen Stahlkonzern Schulden in Höhe von mehr als sechs Milliarden Euro aufgebürdet werden – vier Milliarden von Thyssen und 2,5 Milliarden von Tata. Die IG Metall und Arbeitnehmervertreter hatten deshalb Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit des Unternehmens geäußert.

Investoren fordern Konzernumbau

Thyssenkrupp-Chef Hiesinger, der das Unternehmen seit sieben Jahren führt, steht auch unter dem Druck des Großaktionärs Cevian und des neu eingestiegenen US-Fonds Elliott. Die Investoren fordern einen raschen Umbau des Essener Traditionskonzerns, der sich ohne die Stahlsparte künftig auf das Industriegeschäft mit Aufzügen, Großanlagen und Autoteilen konzentrieren könnte. Seit einiger Zeit gibt es auch Spekulationen zu Sparplänen für die Verwaltung, wenn es zur Trennung von der Stahlsparte gekommen ist.

Sorgen bereitet dem Thyssenkrupp-Betriebsrat zudem dass es im Zuge der Fusion Sonderrechte für den niederländischen Tata-Standort IJmuiden geben könnte. Dem Vernehmen nach wollen sich die Niederländer gegen mögliche Verluste im britischen Geschäft von Tata wappnen. Das Tata-Werk in Port Talbot gilt als ein Sanierungsfall. „Wenn sich IJmuiden wirtschaftlich gegen die Risiken aus dem englischen Geschäft abschirmt, dann verlangen wir das genauso für die deutschen Standorte“, hatte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath unlängst gesagt.