Düsseldorf. Mitarbeiter und Flughafen sind in Sorge um Air Berlin. Die Politik reagiert kühl auf den Hilferuf, doch ein Experte sieht Chancen für Bürgschaft.

Den Schrumpfkurs der hoch verschuldeten Air Berlin bekommen die Beschäftigten seit Jahren zu spüren, allein am Standort Düsseldorf sind seit letztem Sommer Hunderte Stellen weggefallen, vor allem in der Verwaltung. Aktuell bangen wieder alle 2800 Mitarbeiter in NRW um ihre Jobs, die Nachrichten der vergangenen Tage waren wenig ermutigend.

Zuerst ließ Airline-Chef Thomas Winkelmann wissen, noch in diesem Jahr einen neuen Partner finden zu müssen. Was passiert, wenn das nicht gelingt, sagte er nicht, konnten sich die Mitarbeiter aber denken. Es folgte die Nachricht von der geplatzten Auslagerung der Ferienflug-Tochter Niki in eine gemeinsame Gesellschaft mit Tui. Und nur Stunden später die Bürgschaftsanfrage an die Länder NRW und Berlin.

Viele ehemalige LTU-Mitarbeiter

Gerade in Düsseldorf kennen viele Mitarbeiter der Air Berlin diese Situation nur allzu gut: Am NRW-Drehkreuz arbeiten viele frühere LTU-Mitarbeiter, deren Fluggesellschaft 2001 vom Land mit einer Bürgschaft gerettet wurde.

Ob sie darauf hoffen dürfen, dass der Staat wieder einspringt? Zu Bürgschafts-Angelegenheiten dürfe man grundsätzlich nichts sagen, ließ die scheidende Landesregierung in Düsseldorf wissen. Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin darf offenbar – es erklärte gestern, gemeinsam mit NRW und Berlin die Voranfrage zu prüfen. Voraussetzung für eine staatliche Unterstützung sei allerdings ein „tragfähiges Zukunftskonzept“ für die mit rund 1,2 Milliarden Euro verschuldete Fluggesellschaft.

Zurückhaltung in der Politik

Jene, die künftig in NRW regieren wollen, äußerten sich zurückhaltend auf den Hilferuf. „Weder ist eine neue Landesregierung im Amt noch liegt ein fundierter, prüffähiger Antrag des Unternehmens vor“, sagte der designierte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet dieser Zeitung. Und: „Mit Blick auf die betroffenen Menschen und die Bedeutung der Entscheidung verbieten sich jegliche Spekulationen“. Zuvor hatte FDP-Chef Christian Lindner gesagt: „Mit der FDP wird der Steuerzahler nicht für Missmanagement haften.“

Für den Flughafen Düsseldorf hat das Überleben von Air Berlin indes immense Bedeutung, die Linie sorgt dort für jeden dritten Flug. Zur Bürgschaftsanfrage mochte sich der Airport nicht äußern, hob aber den Stellenwert der deutschen Nummer zwei hervor: 2016 habe Air Berlin in Düsseldorf 7,5 Millionen Passagiere geflogen – etwa 2,5 Millionen mehr als die Lufthansa-Tochter Eurowings, sagte Flughafen-Sprecher Christian Hinkel.

Air Berlin hatte in der Vergangenheit viele Kunden verärgert

Wegen Turbulenzen beim Sinkflug des Unternehmens hatte es in den vergangenen Wochen und Monaten aber immer wieder erhebliche Verspätungen und auch einige Flugausfälle gegeben, mit denen Air Berlin viele Kunden verärgerte.

Die Verunsicherung hat längst auch die Belegschaft erreicht. Die Gewerkschaft Verdi forderte das Management auf, offen mit den Beschäftigten umzugehen. „Wir werden darauf dringen, dass möglichst alle Arbeitsplätze erhalten bleiben“, sagte Anja Schlosser dieser Zeitung, Verdi-Verhandlungsführerin für die bundesweit rund 8000 Mitarbeiter von Air Berlin. Eine Bitte an die Politik, die Bürgschaft wohlwollend zu prüfen, verkniff sich die Gewerkschaft aber.

Staatsbürgschaft als letzte Chance

In einer Staatsbürgschaft sieht der Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt die letzte Chance für Air Berlin, an frisches Kapital zu kommen. Nur damit könne die Sanierung gelingen. Aus eigener Kraft könne Air Berlin seinen riesigen Schuldenberg nicht überwinden, die Lage sei sehr ernst.

Angesichts der vielen Arbeitsplätze in Düsseldorf und Berlin kann sich der Luftfahrt-Experte durchaus vorstellen, dass der Antrag auf Bürgschaft eine Chance hat. Es bliebe aber die Frage, welchen Platz Air Berlin im harten internationalen Wettbewerb der Fluggesellschaften einnehmen wolle. Bislang habe das Unternehmen keine klare Ausrichtung.

Zuletzt hatte die Lufthansa 38 Maschinen von Air Berlin für seine Billigtochter Eurowings angemietet. Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte mehrfach Interesse an einer Übernahme bekundet, aber nur nach einer Entschuldung.

>>>> Niki soll eigenständig weiterfliegen

  • Der Ferienflieger Niki werde als eigenständige Einheit weiter Kurz- und Mittelstreckenflüge zu Urlaubzielen anbieten, sagte Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann gestern. Und: „Flüge zu Langstreckenzielen und zu den wichtigsten Geschäftszentren in Deutschland und Europa werden von Air Berlin ab Düsseldorf und Berlin durchgeführt.“