Essen. . Am 27. Juni schaltet Unitymedia in NRW das analoge Kabelfernsehen ab. Vor allem Senioren fühlen sich durch die Umstellung verunsichert.

„Ich bin schon etwas älter, möchte aber trotzdem Fernsehen gucken.“ Dieser Satz einer Leserin aus Bochum bringt auf den Punkt, wen die Umstellung auf digitales Kabelfernsehen ab Ende Juni besonders umtreibt: ältere Menschen. In großer Zahl nutzten sie das Beratungsangebot der WAZ-Telefonaktion. Unter den knapp 500 000 Unitymedia-Kunden in NRW, die noch analoges Kabelfernsehen schauen, herrscht große Unsicherheit, ob sie einen zusätzlichen Digitalreceiver benötigen und wie dieser anzuschließen ist.

Hanau in Hessen war die erste Stadt, in der Unitymedia im vergangenen September das analoge Signal abschaltete. Der Kölner Telekommunikationskonzern versorgt Hessen, Baden-Württemberg und NRW mit Kabelfernsehen. In Hanau hat Projektleiter Carsten Reuth erste Erfahrungen gesammelt: „Viele Kunden kümmern sich erst, wenn der Bildschirm schwarz ist.“ Er appelliert an alle Betroffenen, sich frühzeitig zu informieren, um am 27. Juni längere Wartezeiten im Fachhandel oder in den Unitymedia-Shops zu vermeiden.

Knapp 500 000 in NRW betroffen

Doch wer ist überhaupt betroffen? Dem 81-jährigen Gelsenkirchener mit Zimmerantenne wurde erst nach seinem Anruf bei der WAZ-Telefonaktion klar, dass er gar nicht via Kabel mit Fernsehen versorgt wird. Rund 90 Prozent der Kabelkunden empfangen nach Angaben Reuths ohnehin digitale Kabelsender. Das deckt sich mit den Erfahrungen von Peter Lindackers von der Verbraucherzentrale NRW. „In den Haushalten stehen nur noch wenige Röhrengeräte. Den überwiegenden Teil machen Flachbildschirme mit integriertem Digitalreceiver aus“, sagt er.

Vielen Zuschauern ist aber gar nicht bewusst, ob sich noch in der analogen oder bereits in der digitalen Kabelfernsehwelt leben. Das wurde auch bei der WAZ-Telefonaktion deutlich. Die vier Experten wiesen deshalb immer wieder darauf hin: Wenn der Zusatz HD in den Sendernamen in der Ecke des Bildschirms auftaucht, schauen sie bereits digital. HD bedeutet „High Definition“ und steht für die Übertragung besonders scharfer Bilder. Alte Röhrenfernseher können mit Hilfe des Receivers zwar die Digitalsender empfangen, aber nicht in der hohen HD-Qualität.

Jüngere Fernseher empfangen digitale Signale

Wer nachrüsten muss, sieht seit Wochen in regelmäßigen Abständen ein Laufband. „Wer dieses Band sieht, sollte rasch tätig werden“, betont WAZ-Redakteur Andreas Böhme im Gespräch mit zahlreichen Lesern immer wieder. Er und die anderen Experten weisen immer wieder darauf hin, dass Flachbildschirme ab dem Baujahr 2010 in der Regel mit eingebauten digitalen Kabeltunern (DVB-C-Tuner) ausgestattet sind, die das digitale Signal empfangen. Für ältere Geräte müssen Verbraucher dagegen ein externes Gerät anschaffen und anschließen. Unitymedia bietet einen Digitalreceiver an, dessen Freischaltung einmalig 29,99 Euro kostet. Aber auch der Handel hält Modelle mit unterschiedlichen Funktionen und Preisen vor.

Doch wer schließt den Receiver zu Hause an und startet am Fernseher den Sendersuchlauf? „Mein Sohn hält die Hand über mich. Aber er wohnt in Lippstadt“, klagt eine ältere Dame aus Bochum. Unitymedia-Sprecherin Eva-Maria Ritter rät dazu, mit dem Hausmeister der Seniorenwohnanlage Kontakt aufzunehmen, Nachbarn oder Verwandte um Hilfe zu bitten.

Wer schließt den Receiver an?

Das Kabel-Unternehmen selbst bietet eine kostenlose Hotline an, die Tipps für die Installation gibt. Im Zweifel wissen Fachhändler Rat, die für den Besuch im Wohnzimmer der Kunden dann aber auch Geld nehmen können. Aber auch hier können Probleme auftreten, wie eine Anruferin eindrücklich schildert: „Unseren Fachhändler gibt es nicht mehr. Wer kann uns den Receiver nach Hause bringen? Um uns herum sind nur ältere Leute.“

Auch Stefan Vollmer von der Deutschen TV-Plattform hatte während der zweistündigen Telefonaktion zumeist Senioren am Apparat: „Ein Drittel wollte nur eine Rückversicherung, dass alles passt, wie es gerade ist“, sagt der Sprecher des Zusammenschlusses von privaten und öffentlich-rechtlichen Programmanbietern. Es gab aber auch eine Reihe von Spezialfragen. Wer einen herkömmliche Videorekorder nutzt, muss auch diesen ab dem 27. Juni mit einem Digital-Receiver verbinden. Das gilt auch für Zweit- oder Drittfernseher in einem Haushalt, die im Schlaf- oder Kinderzimmer stehen und über keinen integrierten Empfänger verfügen.