Bochum. . Gegen Wohnungsmangel: Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia steigt ins Neubaugeschäft ein. Die Häuser sind in drei Monaten fertig.
Der Bedarf an neuen Wohnungen wächst, gleichzeitig explodieren wegen der hohen Nachfrage die Baukosten. Um diesen Spagat zu bewältigen, will der Wohnungsriese Vonovia neue Wege gehen. In diesem Jahr planen die Bochumer 1000 neue Wohnungen in Schnellbauweise.
Der Prototyp steht mitten in einer Siedlung in Bochum-Hofstede. Auf einer ehemaligen Freifläche hat Vonovia in der Rekordzeit von drei Monaten ein dreigeschossiges Wohnhaus hochgezogen. Dem modernen weißen Würfel ist nicht anzusehen, dass er aus Beton- und Holzelementen, die mit dem Tieflader angeliefert und vor Ort zusammengesetzt wurden, besteht. Geistiger Vater der Modulbauweise bei Vonovia ist Vorstandsmitglied Klaus Freiberg, der den größten deutschen Vermieter nach Jahren der Abstinenz zurück ins Neubaugeschäft führt. „Bis vor einem Jahr hatten wir faktisch keinen Neubau. Unser Kerngeschäft ist ja die Vermietung. Jetzt steigen wieder in den Neubau ein“, sagt Freiberg im Gespräch mit dieser Zeitung.
„Industrialisierung des Bauens“
Für den Manager ist die Schnellbauweise nicht nur ein Vehikel, um kurzfristig einen Lösungsbeitrag gegen die Wohnungsnot in Deutschland zu leisten. Nach Zahlen des Instituts der Deutschen Wirtschaft müssen bis zum Jahr 2020 jährlich 380 000 Wohnungen gebaut werden. Freiberg spricht vielmehr von einer „Industrialisierung“, die inzwischen auch den Bausektor erfasst habe.
Die Idee: Durch Modulbauweise will Vonovia die Bauzeit pro Haus deutlich auf drei bis fünf Monate verkürzen und gleichzeitig die Baukosten senken. „Die Baukosten steigen jedes Jahr um fünf bis sieben Prozent. Das verstärkt den Innovationsdruck“, so der Vorstand. „Aufgrund der hohen Nachfrage kriegen Sie zudem inzwischen kaum noch Handwerker auf dem Markt. Wir haben zum Glück eine eigene Handwerksorganisation.“
Freiberg hat errechnet, dass der Quadratmeterpreis bei der Stein-auf-Stein-Methode zwischen 2500 und 2700 Euro kostet und die Nettokaltmiete am Ende deutlich über zehn Euro liegen wird. In Bochum-Hofstede kam er mit 1800 Euro aus – inklusive Aufzug – und einer Nettokaltmiete von neun Euro.
Die Durchschnittsmiete der bundesweit 340 000 Vonovia-Wohnungen liegt bei knapp sechs Euro. „Wir müssen für das Budget, das unseren Mietern zur Verfügung steht, bauen und dafür eine angemessene Qualität liefern“, sagt Freiberg. Häuser in Modulbauweise stünden konventionellen in nichts nach – weder beim Komfort, noch bei der Energiebilanz. „Sie haben mindestens die Qualität der Festbauweise.“ Allein: Auf einen Keller müssen die Mieter verzichten. Das neue System hat sich der Vonovia-Vorstand in der Automobilindustrie abgeschaut: „Meine Idealvorstellung ist, wie bei der Autoproduktion eine Wohnung einfach auf einen Rahmen zu setzen“, so Freiberg.
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Eine Wohnung, die dem Trend Rechnung trägt, dass es immer mehr Single-Haushalte gibt, dass die Mieter immer älter werden und dass es die Menschen vom Land zurück in die Stadt zieht. „Wir müssen etwas tun, sonst bekommen wir die Schlagzahl nicht hin“, mahnt der Manager. Neue Wohnhäuser ohne Aufzüge kommen für ihn nicht mehr in Frage, und die Schnellbauweise soll bei Vonovia Standard werden – zunächst bei der „Nachverdichtung“ in bestehenden Siedlungen und bei der Aufstockung von Häusern wie gerade in Dortmund. „Die Akzeptanz der Anwohner steigt durch die kurzen Bauzeiten. Neue Trabantenstädte ohne Infrastruktur wollen wir nicht bauen“, versichert Freiberg.
Schnellere Baugenehmigungen gefordert
Die Modulbauweise zahlt sich nach seiner Überzeugung nicht nur ökonomisch aus. „Wir stabilisieren unsere Standorte, weil wir mit den neu geschaffenen Wohnungen neue Mieterschichten erreichen und die Quartiere lebendig halten“, so der Vonovia-Vorstand. Das schnelle Bauen minimiere die Belästigung der Mieter durch Lärm und Dreck auf einige Wochen.
Die Modulbauweise allein, daran lässt Freiberg auch keinen Zweifel, werde die Wohnungsnot nicht lindern. Freiberg fordert auch Unterstützung aus der Politik. Als Beispiel nennt er die Stellplatzverordnung, die ab 2019 Sache der Kommunen sein wird. Gibt es am neuen Haus zu wenige Parkplätze, muss der Bauherr dafür zahlen. „Wir wollen den Verkehr in den Städten verringern. Parkplätze und noch teurere Tiefgaragen passen deshalb nicht mehr in die Zeit“, so der Manager. Von den Kommunen erwartet Vonovia mehr Tempo bei den Baugenehmigungen und von der Politik und der Industrie mehr Weitsicht. Freiberg: „Die Wohnungsnot war schon da, bevor die Flüchtlinge zu uns kamen.“