Bochum. Nach der Ankündigung von General Motors, Opel doch nicht verkaufen, hat Ministerpräsident Rüttgers dem US-Autokonzern "Turbokapitalismus" vorgeworfen. Auch die Beschäftigten gehen auf die Barrikaden. Am Donnerstag wollen sie in Bochum demonstrieren und für GM nicht auf Lohn verzichten.
Vor dem Hintergrund der überraschenden Entscheidung von GM, Opel doch nicht zu verkaufen, macht jetzt die IG Metall mobil. „Es wird die ganze Woche Aktionen an verschiedenen Standorten in Europa geben. Am Donnerstag um 13 Uhr werden die Beschäftigten ihren Unmut auf dem Werksgelände in Bochum auf einer Demonstration äußern”, sagte der Bezirksleiter der IG Metall in NRW, Oliver Burkhard, der WAZ-Gruppe.
Die GM-Entscheidung sei ein „unglaublicher Vorgang: Monatelang wurden Tausende Mitarbeiter hingehalten, um dann eine Kehrtwende zu vollziehen.” Man habe „null Vertrauen” mehr in das Management. Burkhard forderte die Politik auf, nun sofort den gewährten Kredit zurückzufordern. „Alles Steuergeld muss umgehend an den Fiskus zurückfließen”, so Burkhard. Opelaner seien nicht nur Beschäftigte, sondern auch Steuerzahler. Zudem forderte der IG-Metall-Chef die Auszahlung der bisher ausgesetzten Tariferhöhung. „Diesen Vertrag haben wir heute morgen noch gekündigt. Wir erwarten die sofortige Auszahlung der Gelder.”
Mittlerweile hat sich General Motors bereit erklärt, den staatlichen Kredit von 1,5 Milliarden Euro abzulösen. «Wenn wir gefragt würden, wird GM die fragliche Brückenfinanzierung zurückzahlen», sagte eine Sprecherin von General Motors Europa am Mittwoch in Zürich. Das entsprechende Darlehen wird am 30. November fällig.
Doch nicht nur am Standort Bochum werden die Beschäftigten gegen die Geschäftspolitik von GM demonstrieren: Der Opel-Betriebsrat hat die rund 45.000 Beschäftigten in Europa zu Warnstreiks und Protestaktionen gegen den Verbleib bei General Motors aufgerufen. Wie Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz am Mittwoch in Rüsselsheim erklärte, sollen die Aktionen am Donnerstag um 11.00 Uhr beginnen. Nach Angaben der IG Metall starten zunächst die Beschäftigten an allen deutschen Standorten. Am Freitag sollen die übrigen europäischen Standorte folgen. Betriebsrat und Gewerkschaft hatten sich in den vergangenen Monaten wiederholt für den Einstieg des Autozulieferers Magna bei Opel ausgesprochen. Sie fühlen sich von GM nun brüskiert.
Rüttgers wirft GM "Turbokapitalismus" vor
Unterdessen hat die Landesregierung den Bochumer Opelanern ihre Unterstützung zugesagt. «Nach mehreren Zusagen und monatelangen Verhandlungen lässt die Spitze von GM die Arbeitnehmer im Regen stehen. Dieses Verhalten von General Motors zeigt das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus», sagte Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf. Das sei «völlig inakzeptabel». Die Landesregierung werde «weiter für Opel und den Standort Bochum kämpfen», kündigte Rüttgers an.
Vize-Ministerpräsident und FDP-Landeschef Andreas Pinkwart nahm neben GM auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die Pflicht. Die Kanzlerin habe Opel «zur Chefsache gemacht». Darum müsse der Bund zu seiner Verantwortung stehen, sagte Pinkwart.
NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft zeigte sich «zutiefst verärgert» über die Entscheidung des US-Konzerns. «So geht man nicht mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um», sagte Kraft im Landtag. Zugleich warf sie dem Bundeswirtschaftsministerium eine zögerliche Haltung in den vergangenen Monaten vor. «Wir hätten den Sack zubinden müssen, als es ging», kritisierte Kraft.
Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann sprach von einer «Schocknachricht». Sie sagte Rüttgers die Unterstützung der Grünen beim Einsatz für Opel in Bochum zu.
Beschäftigte wollen sich wehren
Auch aus Rüsselsheim kam scharfe Töne. Die Arbeitnehmer werden nicht zur Finanzierung des «nicht tragfähigen» GM-Konzepts für Opel beitragen, wie Klaus Franz, Vorsitzender des Opel-Konzernbetriebsrats, am Mittwoch mitteilte. Im Falle einer Übernahme durch Magna wären die Arbeitnehmer bereit gewesen, durch Lohnverzicht 265 Millionen Euro pro Jahr zur Restrukturierung von Opel beizutragen. Diese Zusage sei für GM nicht gültig.
Um die Rechte der Beschäftigten zu sichern, werden die Ansprüche aus den Tarifverträgen per sofort zur Auszahlung fällig gestellt. «Den Weg zurück zu General Motors werden wir nicht mitgestalten, sondern unsere klassische Schutzfunktion für die Belegschaften wahrnehmen», sagte Franz. Nach früheren Angaben von Franz würde GM die Einforderung der aufgeschobenen Tariferhöhung und des Weihnachtsgelds mehr als 500 Millionen Euro kosten.
Laut Franz sind nach der Entscheidung des GM-Verwaltungsrates die Werke Antwerpen, Bochum und Kaiserslautern akut gefährdet. GM-Europe-Vorstandsvorsitzender Carl-Peter Forster hat am Dienstagmittag auf einer Veranstaltung in Berlin gesagt, dass im Falle des Opel-Verbleibs im GM-Konzern maximal drei Werke zur Disposition stünden. Das nach seiner Aussage in diesem Szenario am schwersten zu erhaltende Werk ist das in Antwerpen.
Europaweit sind bei Opel/Vauxhall rund 50 000 Menschen beschäftigt. Davon arbeiten 25 000 in Deutschland an den Standorten Rüsselsheim (15 600 Mitarbeiter), Bochum (5170 Mitarbeiter), Eisenach (1800 Mitarbeiter) und Kaiserslautern (2400 Mitarbeiter). (mit ap und ddp)