Essen. Aus für Arcandor: Am 1. September soll das Insolvenzverfahren bei der einstigen Karstadt-Quelle AG beginnen. Konzernchef Eick will das Traditionsunternehmen nach nur einem halben Jahr verlassen.

Die Tage von Karl-Gerhard Eick an der Spitze der taumelnden Karstadt-Mutter Arcandor sind gezählt. Am Dienstag soll das Insolvenzverfahren beim traditionsreichen Essener Handelsunternehmen beginnen. Dann erhalten die Insolvenzverwalter noch mehr Macht. Das beschneidet Eicks Handlungsspielraum erst recht.

Der 55-Jährige wird nach nur sechs Monaten im Chefsessel gehen, erfuhr diese Zeitung. In der Führungsspitze dürften nur zwei Vorstände bleiben: Stefan Herzberg, der sich derzeit ums Warenhausgeschäft kümmert, und Marc Sommer, Vize-Chef der Versandhandelssparte Primondo.

Retten, was noch zu retten ist

Schon jetzt wirkt die Essener Arcandor-Zentrale wie abgestorben. Nur vereinzelt pulsiert noch Leben: im Cafe´ und der Kantine im Erdgeschoss. Und im dritten Stock des nüchternen Gebäudekomplexes; dort, wo Eick noch residiert und das Team von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg Sitzungsräume in Büros umgewandelt hat. Täglich tagen auf diesem Stock Insolvenzexperten und Manager.

Sie wollen in den Insolvenzverfahren retten, was von der einstigen Karstadt-Quelle AG noch zu retten ist. Unter dem Dach des heutigen Arcandor-Konzerns mussten Anfang Juni mehr als 40 Töchter unter Gläubigerschutz flüchten. Die bekanntesten sind die Warenhauskette Karstadt und der Versandhändler Quelle.

Pokern um Staatshilfe

Konzernchef Eick konnte das in seiner kurzen Amtszeit trotz vieler Vorschusslorbeeren nicht verhindern. Dem Ex-Finanzchef der Deutschen Telekom kann man vorwerfen, er habe zu lange um Staatshilfe gepokert, die Politiker Arcandor aber verwehrten.

Doch die Misere der über 125-jährigen Traditionsfirma begann lange vor Eicks Zeit. Eine Krisenursache gründet sich in der gesellschaftlichen Entwicklung.

Spitzen-Schwächen

Kaufhäuser locken nicht mehr so viele Menschen an wie noch in den Blütezeiten, die bis in die 1970er reichten. Die Alles-unter-einem-Dach-Häuser bekamen Konkurrenz. Von Discountern, die längst nicht mehr nur Lebensmittel verkaufen. Vom Internet und den zahlreichen Online-Shops. Und von Konsum-Tempeln wie dem Oberhausener „Centro”, denn das schlichte Einkaufen ist mittlerweile zur Freizeit-Beschäftigung „Shoppen” mutiert.

Ein anderer wichtigerer Krisengrund liegt im Unternehmen selbst. Rückblick ins Jahr 1999. Karstadt und Quelle vereinen sich. Ein Handelskoloss entsteht, der etwa 116 500 Mitarbeiter beschäftigt und viele Milliarden umsetzt. Mit eingefädelt hat das Karstadt-Chef Walter Deuss. Er sitzt seit 1982 am Firmenruder und pflegt seine Beziehungen zu Betriebsräten und Gewerkschaften. Mitarbeiter mögen „Papa Deuss”. Kritiker monieren aber, dass der Koloss unter Deuss die Auslands-Expansion und die Modernisierung der Warenhäuser verschlief.

Im Juli 2000 geht Deuss. Ihm folgt der Chef der Warenhaussparte, Wolfgang Urban. Im Mai 2004 muss auch er abtreten. Urban wird vorgeworfen, er habe das schwächelnde Kerngeschäft vernachlässigt und sich beim Kauf branchenfremder Firmen verheddert.

Middelhoff modelte um

Quelle-Neckermann-Chef Christoph Achenbach kommt an die Spitze. Das Handelsunternehmen kann auch er nicht auf Vordermann bringen. Auf dem Chefsessel bleibt Achenbach nicht einmal ein Jahr.

Im Mai 2005 folgt ihm Thomas Middelhoff, der ein Faible für die Beteiligungsbranche hat, also für das möglichst lukrative Verwerten von Firmen oder Geschäftsfeldern. Er modelt die marode Karstadt-Quelle um. Middelhoff verkauft unter anderem die Modeketten Wehmeyer und SinnLeffers sowie die späteren Hertie-Warenhäuser.

Er macht alle Warenhaus-Immobilien zu Geld – und mietet sie teuer zurück. Middelhoff steigt zudem ins Reisegeschäft ein. Ab 2007 heißt Karstadt-Quelle Arcandor. Doch auch Middelhoff scheitert, geht und hinterlässt rote Geschäftszahlen.

„Feuerwehrmann”

Eick kommt Anfang März von der Telekom zu Arcandor, bedacht mit viel Vorschusslorbeeren („gewiefter Stratege”, „Feuerwehrmann”). Bereits Ende April legt er einen Sanierungsplan vor. Doch mit dem Insolvenzantrag werden Eicks Bemühungen hinfällig und seine Macht gekappt. Einem, der ganz nach oben wollte, bleibt da wohl nur der Abgang.