Essen. . Essener Familienunternehmen Thelen entwickelt Grundstücke und Gebäude im großen Stil. Der Inhaber gibt erstmals Einblicke in sein kleines Imperium.
In Essen hat eines der größten Grundstücksgeschäfte der Republik für Aufsehen gesorgt. Der Industriekonzern Thyssen-Krupp hat ein riesiges Immobilien- und Grundstückspaket – zusammen rund 1040 Hektar – verkauft. Erwerberin ist die mittelständische Thelen-Gruppe aus Essen, die sich inzwischen ein kleines Imperium geschaffen hat. Außerhalb der Fachöffentlichkeit kennt sie aber kaum jemand.
Pressetermin in der Essener Unternehmenszentrale nahe der Autobahn A 52, der erste überhaupt. Ein großes Firmenschild sucht man vergeblich; mit Eitelkeiten halten sich die Thelens nicht auf. Seniorchef Wolfgang Thelen, mit schlohweißen Haaren, aber sehr vital, kommt gleich zur Sache. Einen bunten Bogen mit der Holding-Struktur der Thelen-Gruppe ausbreitend, erzählt er von der Entwicklung des 1988 gegründeten Unternehmens, zu dessen Gesellschaftern neben ihm selbst seine Ehefrau Solveigh Backes und der gemeinsame Sohn Christoph gehören. Die Ehefrau ist als Internistin bei der Knappschaft tätig, der 19-Jährige Christoph Thelen ist noch Student der Betriebswirtschaftslehre, aber schon verantwortlich für die Holding, die den Thyssen-Krupp-Deal betreut hat. Er ist der designierte Firmenchef.
Erstes Büro im Wohnmobil
Anders als seinem Sohn ist Wolfgang Thelen das Immobiliengeschäft nicht in die Wiege gelegt worden. Geboren in Wuppertal, hat er in Bottrop und Oberhausen gelebt, bevor er seinen Wohnsitz in Essen nahm und die Firma ebenfalls dorthin holte. Thelens Vater hatte eine Spedition im Ruhrgebiet. Sohn Wolfgang wuchs da hinein. Sein erstes Immobiliengeschäft war der Bau einer Halle für den Versandhändler Quelle in der Nähe von Bamberg. Sein erstes Büro war ein Wohnmobil. Darin schlief und arbeitete er.
Inzwischen platzt die Firmenzentrale an der Essener Alfredstraße aus allen Nähten. Deren Belegschaft, der größte Teil der bundesweit 65 Mitarbeiter, zieht in die gegenüber liegende verwaiste Zentrale des Logistikriesen DB Schenker um, der am Hauptbahnhof neu gebaut hat. „Solange ich noch im Geschäft bin“, beschreibt Thelen seine Pläne, „will ich noch Büros in Nürnberg, München, Leipzig und Hamburg aufbauen.“ Die Expansion ins Ausland will der Patriarch aber seinem Sohn überlassen – als spannende Aufgabe nach dem Studium.
Wie schafft es ein reines Familienunternehmen, ein so großes Immobilien-Geschäft aufzubauen? Für Thelen ist das klar: Es liegt an der Firmenphilosophie. „Wir sind Bestandshalter“, sagt er, „wir denken langfristig. Im Unterschied zum Kapitalinvestor.“ Und dann skizziert er das Problem der im Volksmund gern „Heuschrecken“ genannten Wettbewerber: „Verkaufen Sie mal einem Shareholder, dass er erst in 17 bis 20 Jahren Geld zurück bekommt!“ Die Mieter hingegen wollten langfristige Verträge. Einer seiner Kunden habe es einmal so ausgedrückt: „Wir möchten mieten; aber fühlen wollen wir uns wie ein Eigentümer.“ Kaufen und schnell weiterverkaufen – das sei nicht Thelen-Politik. In den letzten 20 Jahren hat das Unternehmen von den vielen erworbenen Objekten gerade einmal drei wieder verkauft. „Aber das waren solche, die wir mit kaufen mussten.“
Und woher kommt das viele Geld für die großen Einkäufe? Die Antwort ist typisch für einen Familienunternehmer: „Keine Entnahmen; lieber entschulden wir uns über Gebühr. Die Banken nennen uns gern Tilgungsweltmeister.“ Thelen arbeitet mit Sparkassen und Volksbanken vor Ort zusammen. „Ich erwarte von meinem Bankpartner, dass ich die Entscheider kenne.“ Seine Kunden erwarteten das schließlich auch von ihm.
Wolfgang Thelen: „Ich will anpacken.“
Die Handelnden persönlich kennen – dieses Prinzip prägt die Struktur des gesamten Unternehmens. Ob Kauf, Entwicklung oder Betrieb und Verwaltung von Objekten – technisch wie kaufmännisch wird alles mit eigenem Personal gemacht. Auch Architekten gehören zum Team. „Ich halte nichts davon, in großen Runden alles zu zerreden“, sagt Wolfgang Thelen. „Ich will anpacken.“
Diesen Anspruch hat der Unternehmer auch auf dem früheren Nokia-Gelände in Bochum in die Tat umgesetzt: Für den Logistiker DHL, der dort aus einer 5000 Quadratmeter großen Halle ganz Bochum beliefert, ist neu gebaut worden. Aber auch die Callcenter von Unitymedia, Otto Versand und Novero haben sich eingemietet. Insgesamt sind auf dem Areal 1600 Arbeitsplätze entstanden.
Schon vor dem historischen Deal mit Thyssen-Krupp besaß die Thelen-Gruppe 2,1 Millionen Quadratmeter vermietbare Flächen, verteilt über ganz Deutschland. Doch das Unternehmen hat noch eine Menge vor. Nicht zuletzt auch in Essen: „Fertigstellung 2018“, gibt Wolfgang Thelen als Ziel für das ehemalige Thyssen-Krupp-Areal in Essen vor. Dort soll nichts weniger als ein städtebauliches Vorzeige-Projekt entstehen. Und das alles in enger Abstimmung mit den Stadtplanern. Konsens ist nämlich nicht nur angenehm, sondern auch gut fürs Geschäft. Denn so etwas spricht sich herum.