Frankfurt. Die Abgas-Affäre bei VW hat nicht nur Auswirkungen auf den Wolfsburger Autobauer. An der Frankfurter Börse sind die Kurse auf breiter Front abgesackt.
Zuerst schien Volkswagen nur bei Abgastests in den USA getäuscht zu haben - doch der Skandal hat inzwischen weltweite Dimensionen. Konzernchef Martin Winterkorn tritt ab, für nicht wenige Beobachter steht aber schon der Ruf der deutschen Autoindustrie oder sogar der Ruf der deutschen Wirtschaft insgesamt auf dem Spiel. Was Experten sagen und warum die Börsen-Reaktionen so harsch ausfallen:
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Weshalb ist der Kurs der VW-Aktie so stark eingebrochen?
Seit Bekanntwerden des Skandals hat der VW-Konzern an der Börse etwa ein Drittel seines Wertes verloren. Denn bei den Anlegern herrscht große Unsicherheit darüber, wie teuer die Affäre für das Unternehmen letztlich werden wird. Neben den Kosten für einen Rückruf der betroffenen Wagen drohen insbesondere aus den USA hohe Schadenersatz-Forderungen und Strafen. Inwiefern der Ruf von VW und damit die Verkäufe allgemein leiden werden, ist überhaupt noch nicht absehbar. Winterkorn selbst gab sich in seiner Rücktrittserklärung schockiert: "Ich bin bestürzt über das, was in den vergangenen Tagen geschehen ist." In solchen Fällen neigen Anleger dazu, vom Schlimmsten auszugehen - und Aktien vorsichtshalber zu verkaufen.
Gibt es denn Schätzungen, wie teuer der Skandal werden könnte?
VW selbst hat zunächst 6,5 Milliarden Euro beiseitegelegt - aber auch das ist nur eine erste Einschätzung der Kosten. "Wir wissen nicht, wie hoch die möglichen Gesamtkosten sein werden", sagt etwa Jose Asumendi, Analyst bei JPMorgan. Er rechnet schlimmstenfalls mit einer Bürde von 40 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der gesamte VW-Konzern brachte am Mittwochmittag noch rund 53 Milliarden Euro auf die Waage.
Könnte die VW-Aktie noch weiter fallen?
Manche Experten halten das durchaus für möglich. Weitere negative Überraschungen könnten den Kurs unter 90 Euro drücken, warnte Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Am Mittwochmorgen war die VW-Vorzugsaktie schon kurzzeitig auf rund 95 Euro gefallen, stieg dann aber wieder rasch über die markante 100-Euro-Marke. Am Freitag hatte sie zum Handelsschluss allerdings noch 162,40 Euro gekostet.
Warum ist mit VW der gesamte deutsche Aktienmarkt eingeknickt?
Der VW-Skandal kommt zur denkbar ungünstigsten Zeit. Die Anleger sind ohnehin nervös, weil sich die Zeichen mehren, dass die Weltwirtschaft in schwieriges Fahrwasser gerät. Erschwerend kommt hinzu, dass in den wichtigen deutschen Börsenindizes zahlreiche Autobauer vertreten sind: Fallende Verkäufe bei Volkswagen würden dessen Zulieferer direkt treffen. BMW und Daimler wiederum könnten von einer aufkommenden Skepsis gegenüber dem Dieselmotor getroffen werden. In Europa sei mehr als jeder zweite verkaufte Wagen ein Diesel, gab Analyst Michael Raab vom Analysehaus Kepler Chevreux zu bedenken.
Drohen sogar langfristige Folgen für die deutsche Wirtschaft?
Das ist schwer abzuschätzen. Marktanalyst Michael Hewson vom britischen Broker CMC Markets fürchtet merkliche Auswirkungen, wenn sich herausstellen sollte, dass die Manipulation der Abgastests bei VW kein Einzelfall gewesen sein sollte. Schließlich hänge einer von sechs Jobs in Deutschland in irgendeiner Art und Weise mit der Autoindustrie zusammen. Weitere Enthüllungen würden in jedem Fall "weltweites Vertrauen verspielen". Und auch so werde es einiges an Arbeit kosten, "die Macken in der Marke 'Made in Germany' wieder zu reparieren". In die gleiche Richtung äußerte sich der Ökonom Wolfgang Gerke gegenüber dem "Handelsblatt": "VW gefährdet die gesamte deutsche Konjunktur."
Und welche Folgen drohen für den Aktienmarkt?
Die Deutsche Bank hat ihre Kursziele für den Dax nach dem Abgas-Skandal bereits gesenkt. Marktstratege Jan Rabe rechnet nun damit, dass der deutsche Leitindex am Jahresende bei 10 300 Punkten steht - das wäre nur ein mageres Plus von 5 Prozent gegenüber dem Jahresbeginn. Bislang hatte Rabe auf 11 300 Punkte getippt. Auch für 2016 schraubte er seine Prognose herunter. Grund ist, dass er von geringeren Gewinnen bei den Dax-Konzernen ausgeht als bislang. (dpa)