Wolfsburg. . Die Affäre um Manipulationen bei US-Abgastests zwingt VW zu einer Gewinnwarnung. Laut Konzern sind weltweit elf Millionen Diesel-Autos betroffen.
Der Autobauer Volkswagen hat bei internen Prüfungen zum Diesel-Skandal Unstimmigkeiten in den Messwerten bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen eingeräumt. Bei den betreffenden Modellen gebe es "auffällige Abweichungen" zwischen den Messwerten bei Tests und im regulären Fahrbetrieb, berichtete das Unternehmen am Dienstag.
Zudem hat die Affäre um Manipulationen bei Abgasmessungen in den USA Europas größten Autobauer Volkswagen zu einer Gewinnwarnung gezwungen. Das Unternehmen lege rund 6,5 Milliarden Euro zur Seite. Dadurch werde das Ergebnis im laufenden Jahr geschmälert, kündigte der Konzern an. Die Ergebnisziele würden entsprechend angepasst.
VW-Aktie stürzt um weitere 17 Prozentpunkte ab
Erstmals hat Volkswagen am Dienstag die Zahl der vermutlich betroffenen Fahrzeuge beziffert: Rund elf Millionen Autos seien betroffen, hieß es. "Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189", teilte Volkswagen mit; es handelt sich um Vierzylinder-Turbodiesel-Motoren, die in verschiedenen Modellen wie VW-Golf, Jetta oder Beatle eingebaut wurden. Man stehe in Kontakt mit den zuständigen Behörden und deutschen Kraftfahrtbundesamt. VW ist offenkundig bemüht, Kunden zu beruhigen: "Die aktuell in der Europäischen Union angebotenen Neuwagen mit Dieselantrieb EU 6 aus dem Volkswagen Konzern erfüllen die gesetzlichen Anforderungen und Umweltnormen", hieß es in der Mitteilung weiter: "Die beanstandete Software beeinflusst weder Fahrverhalten, Verbrauch noch Emissionen". Der Konzern versicherte, es bleibe "oberstes Ziel des Vorstands, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und Schaden von unseren Kunden abzuwenden."
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An der Börse ist der Abgas-Skandal allerdings noch längst nicht ausgestanden. Die VW-Aktie hat den Dax am Dienstag weiter in die Tiefe gerissen. Nachdem die Nachricht von VW die Runde machte, dass weltweit elf Millionen Diesel-Autos auffällige Abweichungen zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb haben dürften, stürzte die VW-Vorzugsaktie um weitere 17 Prozent ab. In dem Sog stürzten auch die Papiere von Daimler und BMW um jeweils rund 6 Prozent in die Tiefe.
Grünen-Politikerin Höhn hält VW-Führungsriege für Mitwisser
In Deutschland sind die Umweltbehörden ebenfalls alarmiert. "Eine solche Abgas-Betrügerei täuscht ja nicht nur die Kunden", sagte die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, laut Mitteilung. "Sie führt auch zu deutlich schlechterer Luft. Das gefährdet die Gesundheit." Dass die Software wohl bewusst so angelegt worden sei, dass die Messungen geschönte Ergebnisse lieferten, "ist etwas, das mehr als Verwunderung auslöst", sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Krautzberger betonte, ihre Behörde weise bereits seit Ende der 1990er Jahre darauf hin, "dass auch in Deutschland die realen Schadstoff-Emissionen höher sind als die Typ-Prüfwerte, die auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden. Damit muss Schluss sein."
Umweltpolitikerin Bärbel Höhn (Grüne) ist überzeugt, dass die komplette VW-Führungsriege von den "Softwaremogeleien" wusste. Wenn Volkswagen-Chef Martin Winterkorn jetzt nach umfassender Aufklärung rufe, dann sei das wohl eher eine "rhetorische Floskel", sagte Höhn am Dienstag in Berlin. Die Affäre um geschönte Abgastests in den USA müsse zum Anlass für umfassendere Untersuchungen auch in Deutschland genommen werden. Der Bundesregierung warf Höhn vor, sie habe sich in puncto Abgasbelastung durch Diesel-Fahrzeuge bislang "vor die Autoindustrie gestellt und bewusst negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Bundesbürger in Kauf genommen
Greenpeace wirft Autoindustrie kriminelle Energie vor
Die Umweltorganisation Greenpeace äußerte scharfe Kritik an der Autobranche insgesamt: "Der VW-Skandal zeigt, dass die Autoindustrie inzwischen sogar kriminelle Energie an den Tag legt, um die Gesundheits- und Umweltrisiken ihrer Fahrzeuge zu kaschieren", sagte Verkehrsexperte Daniel Moser. Stickoxide seien "ein Riesenproblem".
Seinen Ausgang hatte die Abgas-Affäre in den USA. Die dortige Umweltschutzbehörde EPA verdächtigt VW, bei zahlreichen Diesel-Fahrzeugen die Abgasvorschriften vorsätzlich umgangen zu haben. Es geht um fast eine halbe Million Autos. Für Volkswagen könnte dies nach Angaben der Behörde eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar nach sich ziehen. (dpa/rtr/WE)
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Gerd Heidecke: "Totalschaden in Sachen Vertrauen für VW"