Herne. . RAG-Chef Bernd Tönjes verteidigt seinen Konzern gegen Kritik wegen der PCB-Belastungen. Der Abstand zum Trinkwasser bleibe stets gewahrt, sagt er.
Der Bergbaukonzern RAG steht wegen möglicher PCB-Belastungen des Grubenwassers in der Kritik. RAG-Chef Bernd Tönjes nahm im Gespräch mit Andreas Tyrock und Ulf Meinke zu den Vorwürfen Stellung.
Die Umweltorganisation BUND hat Anzeige erstattet und beschuldigt die RAG, sie verunreinige systematisch mit belastetem Grubenwasser die Umwelt. Was sagen Sie zu den schweren Vorwürfen?
Bernd Tönjes: Wir sind fest davon überzeugt, dass wir uns an Recht und Gesetz halten. Die Vorwürfe nehmen wir aber gerne zum Anlass, noch einmal klar Stellung zu beziehen.
Im Grubenwasser lassen sich hochgiftige Polychlorierte Biphenyle (PCB) nachweisen – unter anderem auf Zollverein in Essen oder Prosper-Haniel in Bottrop. Ist es in Ordnung, krebserregende Substanzen in Flüsse zu leiten?
Tönjes: Wir messen seit Jahren kontinuierlich, ob und gegebenenfalls wie das Grubenwasser belastet ist. Wenn wir PCB finden, dann in geringen Mengen oder unterhalb der Nachweisgrenze. Darüber hinaus haben wir keinerlei Hinweise, dass Grubenwasser der RAG zur Überschreitung von PCB-Werten in Flüssen oder Bächen führt. Es gibt außerdem eine stark abnehmende Tendenz. Richtig ist, dass PCBs jahrelang im Bergbau eingesetzt wurden, da sie schwer entflammbar sind. Sie waren brandschutzrechtlich vorgeschrieben. Es ging darum, Grubenunglücke zu vermeiden. Heute müssen wir mit den Folgen des PCB-Einsatzes umgehen.
PCB-verseuchtes Grubenwasser im Rhein? "Kein Grund zur Sorge"
„PCB gehört nicht in die Umwelt“, sagt NRW-Umweltminister Remmel. Hat er Recht?
Tönjes: Natürlich hat er Recht. Deshalb haben wir auch ein Grubenwasserkonzept für die kommenden Jahre entwickelt, das die geringe Belastung der Flüsse durch Grubenwasser noch einmal deutlich verringern wird – unter anderem durch den Bau unterirdischer Kanäle. Die Emscher wollen wir so künftig vollständig frei von Grubenwasser halten, bei der Lippe wird der Zufluss halbiert. An der Ruhr haben wir schon jetzt keine nennenswerte Belastung durch den Zufluss von Wasser aus dem Bergbau.
Am Ende fließt das mit PCB belastete Grubenwasser in den Rhein.
Tönjes: Der Anteil der PCB-Belastung im Rhein, der auf den Steinkohlenbergbau zurückzuführen ist, liegt bei gerade einmal zwei Promille. Es gibt also keinen Grund zur Sorge.
Umweltminister Remmel will auch Klarheit darüber haben, was noch in den Bergbau-Schächten schlummert. Von Giftmüll unter Tage ist die Rede. Können Sie Klarheit schaffen?
Tönjes: In dieser Frage gibt es keinerlei Geheimnisse. Im Gegenteil: Es war in den 80er Jahren der Wille einer breiten politischen Mehrheit, Reststoffe wie beispielsweise Flugasche aus Kohlekraftwerken unter Tage zu verwerten. Es geht um rund 1,6 Millionen Tonnen, die nach klaren Spielregeln in die Schächte unter Tage eingebracht worden sind. Die Abfälle wurden nicht einfach irgendwie in die Grube geschüttet, sondern beispielsweise in Beton eingebaut oder mit Zement angerührt und als Baustoff eingesetzt. Dabei ist ein späterer Grubenwasseranstieg beachtet worden.
Untersucht werden soll auch, ob die Entsorgung von Müll in Bergwerken rechtlich einwandfrei war. Wie ist Ihre Einschätzung?
Tönjes: Wir können nicht erkennen, dass die Spielregeln nicht eingehalten worden sind.
"Es geht nicht darum, Profit zu machen."
PCB in Grubenwasser, Kraftwerksmüll in alten Schächten: Wenn an der einen oder anderen Stelle nach den Zechenstilllegungen auch die Pumpen abgeschaltet werden, soll das Wasser unter Tage ansteigen. Müssen wir uns Sorgen um unser Trinkwasser machen?
Tönjes: Nein. Der Trinkwasserschutz hat die oberste Priorität. Wir stellen sicher, dass der Abstand vom Grubenwasser zum Trinkwasser unter Tage immer mindestens 150 Meter beträgt. Richtig ist, dass das Grubenwasser im Schnitt von 800 auf 600 Meter ansteigen wird. Aber der Sicherheitsabstand bleibt stets gewahrt. Das gilt auch für die wichtige Trinkwasserquelle Halterner Sande, die etwa bis 200 Meter unter der Erde liegt. Hier lassen wir das Wasser bis maximal 350 Meter Tiefe steigen.
Gehen Gefahren vom Müll unter Tage aus, wenn das Wasser steigt?
Tönjes: 85 Prozent von den 1,6 Millionen Tonnen stehen schon jetzt unter Wasser. Die Behörden und wir nehmen in diesen Bereichen Wasserproben und stellen keine besonderen Auffälligkeiten fest.
Wie viel Geld wird denn gespart, wenn künftig weniger Wasserpumpen laufen?
Tönjes: Die Berechnungen sind noch nicht abgeschlossen. Aber klar ist: Es geht nicht darum, Profit zu machen. Wir müssen mit dem Geld, das uns der Staat gibt, vernünftig umgehen. Aber wir wollen vor allem, dass unsere Enkel in 30 oder 40 Jahren mit Blick auf den Kohleausstieg sagen: Das habt ihr gut gemacht.
"Die RAG wird es noch lange nach 2018 geben"
Sie wollen auch ein eigenes Expertengremium zu Rate ziehen, um die PCB-Problematik zu analysieren. Dabei sind doch die Behörden und vom Ministerium beauftragte Institute längst dran. Planen Sie etwa ein Gegengutachten?
Tönjes: Genau das wollen wir nicht. Wir setzen viel breiter beim Wassermanagement in Gänze an. Wir werden ganz bewusst auf allgemein anerkannte, unabhängige Wissenschaftler mit hoher Reputation aber auch weitere dem Wasser verbundene Unternehmen und Interessensgruppen zugehen. Uns geht es auch darum, zu mehr Transparenz und Sachlichkeit beizutragen.
Ende des Jahres schließt mit Auguste Victoria in Marl eine weitere Zeche. 1997 hatte die RAG noch rund 70.000 Beschäftigte, zuletzt waren es weniger als 10.000. Können Sie angesichts des rapiden Stellenabbaus noch einen ordentlichen Betrieb gewährleisten?
Tönjes: Ja, und darauf sind wir schon ein bisschen stolz. Seit dem Ausstiegsbeschluss 2007 sind wir schon drei Viertel des Weges bis Ende 2018 gegangen. Dabei haben wir – wie vorgegeben – das Personal sozialverträglich abgebaut und unsere langfristigen Lieferverpflichtungen ohne Abstriche erfüllt.
Was kommt für die RAG nach der Kohle?
Tönjes: Die RAG wird es noch lange nach 2018 geben. Wir kümmern uns dann um die sogenannten Alt- und Ewigkeitslasten, zum Beispiel die Abwicklung von Bergschäden und die Flächensanierung. Wir arbeiten außerdem an Themen wie Geothermie, Photovoltaik, Windrad-Projekten auf Bergbauhalden und Pumpspeicher-Kraftwerken unter Tage sowie der Wasserhaltung. Es gibt also noch viel zu tun.