Essen. Die Gewinne der Bahn brechen weg, Konzernchef Grube will sparen. Dietmar Seher gibt ihm sechs Ratschläge, was die Bahn sonst noch besser machen kann.
Lieber Herr Grube,
Sie haben einen Sechs-Punkte-Katalog vorgelegt. Damit wollen Sie Kosten sparen – vor allem im Vorstand. Gut so. Irgendwie müssen Sie gegensteuern, um einen Gewinneinbruch von 39 Prozent wett zu machen. Das geht uns ja alle an. Die Bahn gehört dem Staat zu 100 Prozent. Und der Staat? Sind wir.
Wir sind aber nicht nur der Eigentümer dieses riesigen und komplizierten Unternehmens mit 26 000 Kilometer Strecke, 6000 Bahnhöfen, 200.000 kompetenten Mitarbeitern und täglich sechs Millionen Fahrgästen. Wir sind, einige mehr, andere weniger, seine Kunden. Da fängt für uns der Ärger an, mal mehr, mal weniger. Sie gelten als freundlicher Manager. Wir wissen, dass Sie unzufriedene Fahrgäste manchmal selbst anrufen. Das ist vorbildhaft. Und deshalb, lieber Herr Grube, haben Sie sicher auch ein paar Minuten für uns. Denn hier ist unser eigener kleiner, rein willkürlich zusammen gerüttelter und sicher ergänzungsfähiger Sechs-Punkte-Katalog für den Alltag.
Punkt 1. Sagen Sie uns immer, was Sache ist. Es ist uns gleich, wer oder was hinter „Störung auf der Strecke“ steckt oder hinter dem „Polizeieinsatz in Bochum“ oder der „unbestimmten Zeit“, die unser Zug Verspätung haben wird. Es gibt schnell den Punkt, wo wir nur noch wissen möchten: Wie kommen wir weiter? Teilen Sie uns mit, wann der gebuchte Zug im Gleis vor uns endlich erscheinen wird. Welche Chance wir sonst auf Beförderung haben. Und wie das mit den Anschlüssen ist.
Punkt 2. Kippen Sie diese Umständlichkeiten in die Tonne! Wenn wir zum Bahnhof gehen, möchten wir nicht von Ihren Leuten zusammengefaltet werden, nur weil wir das Nächstliegende erwarten: Dass wir nämlich den ICE am anderen Gleis nutzen dürfen, wenn der Regionalexpress wieder mal eine halbe Stunde überfällig ist. Gerne nehmen wir dann auch einen Stehplatz im Durchgang.
Vereinfachen Sie die Fahrpläne!
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Punkt 3. Checken Sie ihre Investitionen! Sündteure Schnellstrecken nützen nichts, wenn sich die schnittigen ICE vor der Hohenzollernbrücke am Knotenpunkt Köln stauen. Die Schweizer Bahn hat erst ihre Knoten aufgepäppelt und dann die Schnellstrecken (dort NHT genannt) gebaut. Jetzt wundern sich die Schweizer über die sonst perfekten Nachbarn und ihre vielen Störungen.
Punkt 4. Vereinfachen Sie die Fahrpläne! Niemand braucht einen IC, der in Garmisch startet und über Mainz, Düsseldorf und Hannover nach Magdeburg und Leipzig abbiegt. Oder den Regionalzug, der in Aachen losfährt und nach Minden soll. Fahren Sie auch über London zum nächsten Bäcker? Züge mit kürzeren Laufzeiten könnten pünktlicher sein, meinen wir als Laien.
Mitarbeiter brauchen Spielraum für Kulanz
Punkt 5. Sorgen Sie für Platz im Zug. Schon eine Sitzreihe weniger pro Waggon bedeutet mehr Raum für den Menschen und seinen Rollkoffer. Und ermöglichen Sie es der älter werdenden Generation, auch ohne verstärkte Brille oder die Inanspruchnahme der Nachbarschaft die Platznummer-Miniaturen über den Sitzen zu erkennen. Hängen Sie speziell gezeichnete Waggons an, die ohne Reservierungen mitrollen. Das alles mindert das Gewusel nach jeder Abfahrt - und macht die Reise angenehmer, selbst wenn die Klimaanlage schlapp macht.
Punkt 6. Geben Sie Ihren Mitarbeitern den Spielraum, auch mal Fünfe gerade sein zu lassen! Tickets zu kaufen ist kompliziert genug. In Ostwestfalen musste eine ganze Klasse samt Lehrerin den Zug verlassen, weil die Kinder zwar „Fahrausweise“ (Hallo? Sind Sie noch eine Behörde?) hatten, die aber nicht abgestempelt waren. Hier waren keine Schwarzfahrer unterwegs, und der Rauswurf war unverhältnismäßig. So macht man die Menschen frühzeitig zu Bahn-Hassern und Autofahrern. Und Sie handeln sich oder ihrem Nach-Nachfolger so die nächsten 39 Prozent Miese ein.
Mit freundlichem Gruß
Dietmar Seher