Essen. . In den Krisenjahren hat Hellmut Patzelt Karstadt geprägt. Chefs kamen und gingen, der Betriebsratschef blieb. Doch jetzt räumt er seinen Stuhl.

Hellmut Patzelt hat bei Karstadt schon viele Eigentümer, Vorstände oder Geschäftsführer gesehen. Manager wie Wolfgang Urban, Christoph Achenbach, Thomas Middelhoff, Karl-Gerhard Eick, Andrew Jennings, Eva-Lotta Sjöstedt und nun Stephan Fanderl, außerdem Eigentümer wie Nicolas Berggruen und René Benko. Patzelt war Gesamtbetriebsratschef, als Middelhoff Karstadt-Quelle in Arcandor umbenennen ließ, auch während der Insolvenz im Juni 2009 war Patzelt der oberste Arbeitnehmervertreter im Konzern. Viele Chefs kamen und gingen, Patzelt blieb. So war es bisher. Seit 47 Jahren ist Patzelt im Unternehmen, seit 2006 Chef des Gesamtbetriebsrats. Aber jetzt geht auch Patzelt. Mitten in der Krise verkündet er seinen Abschied.

Patzelt, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef von Karstadt ist, geht in Altersteilzeit. Sein Mandat im wichtigsten Kontrollgremium der Essener Warenhauskette läuft noch bis Oktober, dann soll Schluss sein. Als Gesamtbetriebsratschef will Patzelt schon in dieser Woche aufhören. Seine Abschiedsrede hält der Mann aus Fulda bei einer Konferenz mit rund 250 Karstadt-Arbeitnehmervertretern im sauerländischen Willingen. Aller Voraussicht nach wird am Mittwoch Jürgen Ettl aus der Karstadt-Filiale in München-Schwabing neuer Gesamtbetriebsratschef. „Er ist jemand, dem ich das mehr als zutraue“, sagt Patzelt über seinen designierten Nachfolger.

Die Krise war für Karstadt in den vergangenen Jahren fast schon der Normalzustand. Dass Karstadt-Eigentümer René Benko nun mit seinen Plänen zur Übernahme des Konkurrenten Kaufhof gescheitert ist, macht die Lage nicht gerade einfacher. Karstadt muss es also alleine schaffen. „Das ist die Herausforderung. Der müssen wir uns stellen“, sagt Patzelt. „Es hilft uns nichts zu sagen, der Deal hat nicht funktioniert und wir lassen jetzt die Ohren hängen.“ Benkos Firma Signa hatte sich nach der Entscheidung des Kaufhof-Mutterkonzerns Metro tief enttäuscht gezeigt.

Was bedeutet der Kaufhof-Deal für Karstadt?

Die Auswirkungen der Kaufhof-Übernahme durch den kanadischen Konzern Hudson’s Bay sollen in Willingen ausführlich diskutiert werden. Auch Karstadt-Geschäftsführer Stephan Fanderl wird bei der Betriebsrätekonferenz erwartet. Mit Blick auf den geplatzten Kaufhof-Deal will Patzelt wissen: „Was bedeutet das für Karstadt?“ Auch die laufenden Tarifgespräche dürften in Willingen eine Rolle spielen. Die Karstadt-Führung fordert von den Beschäftigten finanzielle Zugeständnisse.

Patzelt wiederum will sich nicht einfach damit abfinden, dass Karstadt im kommenden Jahr fünf Filialen schließen möchte, darunter die Häuser in Bottrop, Recklinghausen und Mönchengladbach. „Ich bleibe dabei: Wir müssen um diese fünf Häuser nach wie vor kämpfen“, betont Patzelt. In Mönchengladbach zum Beispiel gibt es Überlegungen, die Filiale mit Hilfe der Stadt zu retten.

Immer wieder Stellenabbau bei Karstadt

Als bitterster Moment in seiner neunjährigen Arbeit an der Betriebsratsspitze bleibe ihm der 9. Juni 2009 in Erinnerung, erzählt Patzelt. An diesem Tag reichte der damalige Karstadt-Mutterkonzern Arcandor beim Amtsgericht Essen einen Insolvenzantrag ein. Motiviert habe ihn, wenn wieder einmal nach wochenlangen Verhandlungen ein Ergebnis im Sinne der Beschäftigten erzielt worden sei. „Es geht ja immer um Arbeitsplätze“, gibt Patzelt zu bedenken. „Das sind viele Einzelschicksale.“ Mehrfach musste er mit der Konzernführung über Stellenabbau bei Karstadt verhandeln.

Patzelt hat schon im Unternehmen gearbeitet, als es mehr als 100.000 Mitarbeiter zählte. Eine Insolvenz und viele Jahre später zählt die Warenhauskette noch rund 15.000 Mitarbeiter. „Das Betriebsratsbüro ist oft ein Sorgenbüro“, sagt Patzelt. Aber oft sei bei Karstadt letztlich doch eine Lösung gefunden worden – mit dem Fazit: „Mensch, es geht weiter.“