München. . Der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und vier hochrangige Ex-Kollegen sollen ein Gericht belogen haben. Nun sind sie auf der Anklagebank.
Das beengte Ambiente ist der Bedeutung des Geschehens alles andere als angemessen. Im Saal B 273 des Münchner Landgerichts ist Platz für 50 Besucher. In München gibt es Wohnzimmer, die größer sind. Vorne auf den Anklagebänken und neben Richter Peter Noll drängen sich kaum weniger Personen als hinten bei den Zuschauern. Wirklich beeindruckend ist aber nicht die Quantität der Protagonisten dieses Verfahrens um versuchten Prozessbetrug in einem besonders schweren Fall, sondern die Prominenz der Angeklagten: Ein derart exponiertes Quintett von Spitzenbankern stand hierzulande noch nie vor dem Kadi.
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Als der Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, als erster Angeklagter den Saal betritt, ist sein Gesicht ernst. Erstmals seit 2004 steht mit ihm wieder ein Deutsche-Bank-Boss vor Gericht. Damals war es Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess, der auch diesmal mit von der Partie ist. Der Banker, der mit einem Victory-Zeichen im Gerichtssaal fragwürdige Berühmtheit erlangt hat, erlaubt sich diesmal keine Geste.
Auch Rolf Breuer steht vor Gericht
Das Trio von drei Generationen Deutscher Bank-Chefs rundet Vorgänger Rolf Breuer ab. Dagegen fallen Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und Ex-Vorstand Tessen von Heydebreck geradezu ab. Richter Noll hält sich nicht lang mit Formalien auf und erteilt Oberstaatsanwältin Christiane Serini das Wort. Sie hat den Fall federführend ermittelt und ist dabei zum Schrecken der Deutschen Bank geworden. Über vier Stunden wird die Verlesung von 110 Seiten Anklageschrift dauern.
Sie erzählt die Geschichte einer Verabredung zum versuchten Prozessbetrug durch fünf Spitzenbanker. Im vorangegangenen Schadenersatzprozess der Kirch-Erben gegen Deutschlands größtes Geldhaus sollen sie gelogen haben, um ihrem Arbeitgeber Schadenersatz in Milliardenhöhe zu ersparen. Unangenehme Details hat Serini ermittelt, etwa wie von der Rechtsabteilung der Bank vorformulierte Antworten für Breuer & Co. für deren Aussagen und Planspiele zur Zerschlagung der Kirch-Gruppe.
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Nachspiel der Causa Kirch
Der jetzige Betrugsprozess ist das strafrechtliche Nachspiel der Causa Leo Kirch, die Institut und Banker seit über einem Jahrzehnt verfolgt. Zivilrechtlich ist der Streit um eine Mitschuld an der Pleite von Kirchs Medienimperium 2002 seit 2014 erledigt. Vom Oberlandesgericht (OLG) München wurde die Bank zu Schadenersatz an die Erben verurteilt. Beide Parteien einigten sich auf 925 Millionen Euro. Leo Kirch selbst war bereits im Juli 2011 verstorben und hatte den späten Triumph nicht mehr miterlebt.
Damit war dieses düstere Kapitel für die Frankfurter aber nicht vorüber. Denn beim Schadenersatzprozess hatte das jetzt angeklagte Banker-Quintett 2011 nach Auffassung der Staatsanwaltschaft systematisch gelogen. Das freilich bestreiten alle Angeklagten bis heute. „Ich habe weder gelogen noch betrogen“, betont etwa Fitschen.
Die Kernfrage führt ins Jahr 2002 zurück: Kirch war Kunde der damals von Breuer geführten Bank und hatte sich 800 Millionen Euro geliehen. Zugleich war sein Medienimperium der Pleite nahe. Diese Notlage hat die Bank nach Überzeugung des OLG sittenwidrig ausgenutzt. Ein Beratungsmandat habe sie von ihm erzwingen wollen, um seinen Konzern zu zerschlagen und daran selbst im großen Stil zu verdienen. Ein solcher Plan wurde süffisant Barolo genannt und auf drei Milliarden Euro beziffert, haben die Staatsanwälte enthüllt.
Eine Verschwörungstheorie?
Die Deutsche Bank habe Kirch gedroht, dessen Kredit fällig zu stellen und ihn so zur Aufgabe zu zwingen, wenn er nicht einwillige. Für die Bank ist das bis heute eine Verschwörungstheorie. Sie ist gleichwohl Basis für den jetzigen Betrugsprozess. Denn ohne sittenwidriges Verhalten der Bank gibt es keine Schadenersatzpflicht und ohne diese keinen versuchten Prozessbetrug. Deshalb werden die Verteidiger nun alles versuchen, um das Urteil des OLG zu erschüttern und den Fall neu aufzurollen. Gelingt das, wird es ein langer Prozess. Bislang sind 16 Verhandlungstage bis Ende September angesetzt.
Für Fitschen ist das ein Problem: Seine Bank steht vor einem historischen Umbau. In dieser Lage für Monate einen Tag wöchentlich den Chefsessel in Frankfurt mit der Anklagebank in München zu tauschen – eigentlich ein Unding.