Düsseldorf/Oberhausen. . Nach dem Bürgerentscheid gegen die Verlängerung der Linie 105 fürchten viele im Landtag, dass künftig weitere wichtige Projekte scheitern könnten.

Die Dienstlimousine brachte Michael Groschek am Montagmorgen zuverlässig von seinem Wohnort Oberhausen nach Düsseldorf. Gedanklich steckte der NRW-Verkehrsminister aber wohl eher in der Straßenbahn. Das Aus für die Linie 105 zwischen dem Essener Nordwesten und Oberhausens Neuer Mitte durch den Ratsbürgerentscheid vom Wochenende machte ihm zu schaffen: „Es wird immer schwieriger, für Infrastrukturprojekte eine Mehrheit der Bürger zu gewinnen“, stöhnte der SPD-Mann.

Ablehnende Entscheide in Bielefeld, Aachen und jetzt in Oberhausen zeigten, wie viel Überzeugungsarbeit inzwischen notwendig werde. „Wir müssen viel intensiver mit den Bürgern sprechen, um Vertrauen in die Solidität der Finanzierung zurückzugewinnen. Und wir müssen den volkswirtschaftlichen Vorteil für die Allgemeinheit besser erklären“, so Groschek. Sein Rezept: Frühzeitige Beteiligung, absolute Transparenz, umfassende Information und offene Debatte.

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Rückschlag für den ÖPNV

Groschek war in seiner Gemütslage nicht allein. Wer sich am Tag nach dem Bürgerentscheid im Landtag umhörte, traf auf viele enttäuschte Nahverkehrs-Experten. Sinnvoll für die gesamte Region wäre der weitgehend vom Bund finanzierte Bau von 3,3 Kilometer Straßenbahnschienen für rund 80 Millionen Euro gewesen, meinten Politiker verschiedener Fraktionen. Von einem herben Rückschlag für den ÖPNV war die Rede. Von einem „Bärendienst für die Stadt und die Region“, sprach der Grüne Rolf Beu.

Noch vor wenigen Jahren hätte das Oberhausener Ergebnis gar nicht gegolten. Denn bis 2011 mussten mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten bei einem Bürgerentscheid für oder gegen das jeweilige Projekt stimmen. Dann senkten SPD, Grüne und Linke die Hürde auf zehn Prozent. In Oberhausen stimmten am Wochenende rund 13 Prozent gegen die Straßenbahnlinie 105.

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Bürger besser informieren und beteiligen

An dem neuen Quorum wolle man aber festhalten, versicherte die SPD-Landtagsfraktion. Und auch Beu sagte: „Es geht nicht darum, Bürger nicht mehr zu beteiligen, sondern um die Frage, wie man sie besser informieren kann, damit nicht nach Scheinargumenten und aus dem Bauch heraus entschieden wird, sondern nach praktischem Sachverstand.“

FDP-Fraktionsvize Ralf Witzel warnte davor, nun mit Wählerbeschimpfung zu reagieren: „Bürger erwarten heute bei der Realisierung kostspieliger Großprojekte zu Recht eine intensivere Beteiligung und überzeugende Begründung.“ Das sei verständlich in Zeiten knapper Kassen, in denen vieles Wünschenswerte nicht umgesetzt werde und regelmäßig Kostenexplosionen bei öffentlichen Leuchtturmprojekten zu beklagen seien.

CDU fordert Änderung am Gesetz

Aus Witzels Sicht war die Absenkung der Hürde auf zehn Prozent in Großstädten dennoch eine Fehlentscheidung: „Sie könnte noch an vielen anderen Stellen ein Hindernis bei Infrastrukturprojekten sein.“

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Gerade bei teuren Strukturentscheidungen schreckten die Investitionssummen Bürger schnell ab, erklärte der CDU-Verkehrsexperte Henning Rehbaum: „Ich habe Angst, dass wir in Zukunft große Projekte kaum noch umgesetzt bekommen.“ Rehbaum forderte eine Nachbesserung der Gesetzeslage: Für bedeutsame Verkehrs-Großprojekte müsse bei Bürgerentscheiden wieder ein höheres Quorum gelten, weil dort das volkswirtschaftliche Interesse weitaus höher zu bewerten sei als bei kleineren kommunalpolitischen Fragen.