Essen. . Enorme Nachfrage der Chinesen sorgt für leere Regale. Hersteller erhöhen zwar die Produktion, Drogeriemärkte sehen aber weiterhin Engpässe.
Wer schon mal kurz vor Heiligabend versucht hat, eine Gans zu kaufen, hat eine Vorstellung davon, wie sich unzählige Eltern seit Monaten fühlen, wenn sie wieder einmal vor leeren Regalen für Milchpulver stehen. Die Hersteller haben ihre Produktion bereits deutlich erhöht und nach eigenen Angaben die Lage „im Griff“. Das sehen die Drogeriemärkte anders.
Dass sich die Engpässe zu Jahresbeginn noch verschärft haben, liegt an der Vorliebe der Chinesen für deutsches Milchpulver, die sich vor dem chinesischen Neujahrsfest (19. Februar) zu einem wahren Kaufrausch auswächst. „Viele senden ihren Familien Lebensmittel zum Fest“, erklärt die in Bochum lebende Chinesin Zhou Hui (45).
„Asia Effekt 2013“
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Zhou Hui hat wie viele Chinesen kein Vertrauen in chinesische Milchpulver-Produzenten. 2008 kam ans Licht, dass Hersteller ihr Milchpulver mit Melamin gestreckt hatten, eine Substanz, die bei der Herstellung von Klebstoffen zum Einsatz kommt. Hui schickt ihrem kleinen Neffen darum monatlich fünf Packungen nach China. Die Vorratskäufe sind ihr selbst etwas „peinlich“, nur versteht die Bochumerin nicht, warum die Produzenten das große Interesse nicht als Chance wahrnehmen. „Hier ließe sich doch viel Geld verdienen.“
Erst vor eineinhalb Jahren rüttelte das große Interesse der Chinesen den Markt auf, die Milchnahrungs-Hersteller sprechen vom „Asia Effekt 2013“. „Seitdem haben wir an allen Schnittstellen daran gearbeitet, der Nachfrage gerecht zu werden“, sagt Brigitte Engel, Sprecherin vom Babynahrungs-Marktführer Hipp. Die Produktion habe das Schweizer Unternehmen in den letzten zwei Jahren verdoppelt.
Danone äußert sich ähnlich: Auch der Hersteller hinter den Marken Milupa und Aptamil habe seine Produktionsmenge verdoppelt. Seit sechs bis acht Wochen sei die Nachfrage „drastisch gestiegen“, sagt Danone-Sprecher Stefan Stohl, „das stellt uns zurzeit vor erhebliche Probleme." Über Mengen machen Danone und Hipp keine Angaben.
Weniger entspannt sind die Drogerieketten. „Die Gesamtnachfrage kann nach wie vor nicht voll gedeckt werden“, so Christoph Werner, Geschäftsführer vom dm-Marketing. Rossmann-Sprecherin Anna Kenthrat meldet zudem, dass wegen der knapp gewordenen Markenartikel auch die Eigenmarke und Konkurrenzprodukte leer geräumt würden. Die Drogerie-Riesen halten deshalb an ihrer Rationierung fest: Um Hamsterkäufe zu verhindern, dürfen Kunden in den meisten Filialen nur drei Packungen Milchnahrung auf einen Schlag kaufen. An den Regalen hängen Schilder mit entsprechenden Hinweisen. „Sobald sich die Situation normalisiert hat, werden wir diese Entscheidung natürlich revidieren“, so dm-Manager Werner.
Um die Nachfrage bedienen zu können, will Danone das Milupa-Produktionswerk im osthessischen Fulda um eine weitere Stätte ergänzen. „Das Werk soll noch mal genauso viel produzieren, wie das bisherige“, so Stefan Stohl von Danone. Gegen Ende des Jahres soll das Werk fertig sein.
Öko-Test: „ungenügend“
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Die Begeisterung der Chinesen für deutsche Babymilch können indes die Produktprüfer von „Ökotest“ nicht ganz teilen. Der sehr beliebten „Milumil Anfangsmilch 1“ von Danone gab Öko-Test eine glatte Sechs. Grund für das „Ungenügend“ waren zu hohe Mengen an Chlorat und Fettschadstoffen, die unter Verdacht stehen, Gesundheitsschäden zu verursachen.
Danone-Sprecher Stefan Stohl bezeichnet den Test als „Skandal-Nummer“, die lediglich zur Verunsicherung führe. „Wir müssen zwar auch unsere Hausaufgaben machen“, so Stohl – aber die Stoffe seien bereits enorm reduziert worden. Milchnahrung sei in Deutschland eines der meist kontrollierten Lebensmittel. Auch das Bundesinstitut für Risikoforschung äußerte sich skeptisch zum Test: eine sichere Methode zur Messung der Fettschadstoffe sei noch in der Entwicklung, die Ergebnisse möglicherweise nicht ganz zuverlässig.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir den Danone-Sprecher mit den Worten zitiert, trotz der aktuell drastisch gestiegenen Nachfrage habe man sie „im Griff“. Der Sprecher erklärt dazu, das so nicht gesagt zu haben. Vielmehr räumt er ein, dass die hohe Nachfrage „uns zurzeit tatsächlich vor erhebliche Probleme stellt“.