Essen. . Der frühere Thyssen-Krupp-Spartenvorstand Uwe Sehlbach soll fürs Schienenkartell zahlen. Der Konzernfordert mindestens 291 Millionen Euro – bisher erfolglos.

Es ist eine atemberaubende Summe, die der Essener Industriekonzern von einem ehemaligen Manager fordert: 291 Millionen Euro – mindestens. Der von Vorstandschef Heinrich Hiesinger geführte Konzern will Wiedergutmachung für den Schaden, der durch das Schienenkartell entstanden ist. Viele Jahre lang hatten Thyssen-Krupp-Manager mit anderen Unternehmen die Preise für Gleise und Weichen abgesprochen. 2011 flog das Kartell auf. Es folgte ein hohes Bußgeld des Kartellamts, und nach wie vor stehen millionenschwere Schadenersatzforderungen von Kunden im Raum.

Ginge es nach der amtierenden Konzernführung, müsste Uwe Sehlbach zahlen. Der Manager war jahrelang als Spartenvorstand für die Schienentochter von Thyssen-Krupp zuständig. Nun geht das Unternehmen juristisch gegen den früheren Konzernmanager vor – bislang allerdings weitgehend erfolglos. Schon das Essener Arbeitsgericht wies eine Klage von Thyssen-Krupp gegen Sehlbach zurück. Auch in der zweiten Instanz scheiterte der Konzern.

Das Unternehmen könne sich Kartellbußen grundsätzlich nicht von Mitarbeitern erstatten lassen, urteilte das Landesarbeitsgericht in Düsseldorf am Dienstag und wies Forderungen in Höhe von 191 Millionen Euro ab. „Hier sollte ein Exempel statuiert werden. Aber diese Rechnung ging bis heute nicht auf“, kommentierte Sehlbachs Anwalt Andreas Lotze. „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen Kartellbußen in dreistelliger Millionenbuße ohne weiteres an Manager nach unten weitergibt.“

Bochumer Anklage gegen 14 ehemalige Stahl-Manager

Ausgestanden ist die Sache für Sehlbach aber nicht. Thyssen-Krupp wird aller Voraussicht nach vor das Bundesarbeitsgericht ziehen. Der Konzern erhofft sich eine höchstrichterliche Klärung zur Frage, welche Konsequenzen Managern drohen, die an Kartellen beteiligt sind. Thyssen-Krupp setzt auch darauf, dass letztlich Manager-Haftpflichtversicherungen einspringen, wenn möglicherweise Rückzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe anstehen.

Zu Schadenersatzforderung nach weiteren mindestens 100 Millionen Euro im Fall Thyssen-Krupp gegen Sehlbach fällte das Düsseldorfer Gericht keine Entscheidung. Zunächst einmal wird ein Strafverfahren abgewartet, bei dem es ebenfalls um das Schienenkartell geht. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat bereits im Sommer vergangenen Jahres Anklage gegen 14 ehemalige Stahl-Manager erhoben, die eine Rolle bei den Preisabsprachen gespielt haben sollen. Damit bahnt sich ein großer Prozess um Wirtschaftskriminalität in NRW an.

Brisanter Strafprozess zum Schienenkartell wird erwartet

Thyssen-Krupp betonte am Dienstag in einer Mitteilung, in diesem Verfahren habe die Staatsanwaltschaft Bochum „bereits einen hinreichenden Tatverdacht auf strafrechtlich relevante Kartellbeteiligung unter anderem von Herrn Sehlbach festgestellt“. Der ehemalige Thyssen-Krupp-Bereichsvorstand hingegen weist die Vorwürfe zurück. „Herr Sehlbach war Bereichsvorstand in einer hierarchisch geprägten Konzernorganisation“, erklärte sein Anwalt Lotze. „Es ist also zu klären, ob das wettbewerbswidrige Verhalten nicht vor allem systemisch bedingt war.“ So dürfte im Strafprozess auch eine Rolle spielen, ob womöglich Thyssen-Krupp-Manager aus der ersten Reihe etwas über das Schienenkartell wussten.