Berlin. Regierungsberater fordern höhere Steuern auf Fleisch. Das spare Gülle und schone die Umwelt, meint der Sachverständigenrat für Umweltfragen.

Fleisch, Eier und Milch­pro­dukte sollen nach Willen des Sachverständigenrats für Umweltfragen teurer werden. Das Beratergremium der Bundesregierung hat gestern gefordert, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die tierischen Lebensmittel abzuschaffen. Als Grundnahrungsmittel werden diese bisher mit sieben Prozent besteuert, statt mit den vollen 19 Prozent. So werde Fleisch „subventioniert, das ist nicht gerecht­fer­tigt“, sagte die Vize-Vorsitzende des Rates Katrin Holm-Müller.

Die wahren Kosten der Massentierhaltung ­würden verschleiert, meinen die Exper­ten. Sie machen ein „bisher unterschätztes“ Stickstoffproblem aus – verursacht auch durch Düngung mit Gülle aus der Massentierhaltung. Gut ein Viertel ­aller Grundwasservorkommen sind mit zu Nitrat umgewandeltem Stickstoff verunreinigt. Die Regierung muss der Empfehlung aber nicht folgen.

Mit einer solchen Empfehlungen macht man sich kaum Freunde: In den Kantinen öffentlicher Einrichtungen sollten öfter vegetarische Gerichte und "halbe Fleischportionen“ auf der Speisekarte stehen. Und der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Fleisch, Eier und Milchprodukte solle abgeschafft werden. So meldete sich am Mittwoch der Sachverständigenrat für Umweltfragen zu Wort.

Fleisch und Wurstwaren würden deutlich teurer

Die Regierungsberater fordern also eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent – Fleisch und Wurstwaren würden dann deutlich teurer. Das wird die Regierung kaum wagen, schließlich essen 80 Prozent der Männer und 63 Prozent der Frauen in Deutschland fast täglich Fleisch oder Wurst, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage für den „Stern“ ergab.

Die Regierungsberater legten ihr Gutachten „Stickstoff: Lösungsstrategien für ein drängendes Umweltproblem“ pünktlich vor dem Start der 80. Grünen Woche vor. Die Leistungsschau der Ernährungsbranche öffnet an diesem Freitag in Berlin ihre Pforten. Stets ein willkommener Anlass, um auf Missstände hinzuweisen. Den Regierungsberatern geht es um den ihrer Überzeugung nach zu starken Einsatz von Stickstoff in der Landwirtschaft, der ein wichtiger Pflanzennährstoff ist.

Boden kann zu viel Gülle nicht aufnehmen

Dünger, aber auch Jauche, Mist und Gülle enthalten Stickstoff. Nur: Es kann zu viel des Guten sein. Wird gedüngt, was die Ställe hergeben, kommt mehr Stickstoff aufs Feld als die Wurzeln aufnehmen. Er entweicht als Lachgas in die Luft oder landet als Nitrat im Boden und Grundwasser. Seit Biogasanlagen boomen, treiben auch die dort entstehenden Gärreste die Werte nach oben.

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An überdüngten Stellen wuchern Brennnesseln oder Brombeeren, andere Pflanzen gehen ein. In Gewässern nehmen Algen zu, die andere Pflanzen ersticken. Auch die Aufbereitungskosten für die Wasserwerke werden durch die Nitratbelastung deutlich teurer. Vor allem aber gilt Nitrat in größeren Mengen als gesundheitsschädlich, weil es im Körper des Menschen in Krebs erzeugendes Nitrit umgewandelt werden kann.

Die Europäische Kommission hat längst moniert, dass in Deutschland europäische Grenzwerte überschritten würden und die Bundesrepublik mit Malta die höchsten Nitratkonzentrationen im Grundwasser aufweise. Ein Vertragsverletzungsverfahren läuft.

Agrarminister hat Reform-Vorschlag vorgelegt

Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hat deshalb kurz vor Weihnachten eine Reform vorgelegt, die in den nächsten Monaten im Bundestag beraten werden soll. So sollen Bauern künftig zum Beispiel von Anfang Oktober bis Ende Januar das Kot-Harn-Gemisch gar nicht mehr auf den Äckern verstreuen dürfen. Sie müssen zudem Lagerkapazitäten für sechs Monate vorhalten, große Betriebe ab 2020 für neun.

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Vertreter des Bauernverbandes halten die Novellierung für überflüssig. Schon im letzten Oktober hat der Bayerische Bauernverband eine Kuh mit Windel auf die Alm geschickt – um gegen überzogene neue Regeln zu protestieren.

Dem Sachverständigenrat geht die Reform nicht weit genug. Er wünscht sich, dass möglichst viele Betriebe bald dazu verpflichtet werden, eine Art Stickstoff-Buchhaltung, Hoftorbilanz genannt, zu machen. Nur so ließen sich die Höfe kontrollieren. Doch diese Bilanz sieht die Regierung erst ab 2018 für wenige große Betriebe vor.