Berlin. . Die Preise sind im Dezember 2014 in den Euro-Ländern erstmals seit der Finanzkrise 2009 gesunken. Ob Deflation gut oder schlecht ist, darüber streiten die Ökonomen.
Erstmals seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009 sind die Preise im Euro-Raum vermutlich gesunken. Im Dezember 2014 ging das allgemeine Preisniveau im Vergleich zum Dezember 2013 um 0,2 Prozent zurück, schätzte das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch. Ökonomen und Politiker streiten nun darüber, ob diese leichte Deflation gut oder schlecht ist.
Der Rückgang beruht laut Eurostat vor allem auf den niedrigen Energiepreisen. Diese sind im Jahresvergleich um 6,3 Prozent gefallen. Ein Fass Erdöl kostet jetzt weniger als 50 US-Dollar. Vor sechs Monaten war es noch mehr als das Doppelte. Das merken die Verbraucher seit Monaten an den Tankstellen. Auch unverarbeitete Nahrungsmittel wurden im europäischen Durchschnitt etwas billiger. Bei allen übrigen Waren blieben die Preise stabil oder stiegen leicht – verarbeitete Lebensmittel, Alkohol und Tabak wurden insgesamt um 0,6 Prozent teurer, Dienstleistungen um 1,2 Prozent.
Moderate Preissteigerungen werden meist für gut gehalten, weil Unternehmen dann investieren und Arbeitsplätze schaffen – unter anderem wegen der Erwartung höherer Erlöse. Deshalb verfolgt die Europäische Zentralbank (EZB) auch das Ziel einer Preissteigerung (Inflation) von jährlich zwei Prozent.
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Inflationsziel zwei Prozent
Die Angst vor der Deflation begründet sich dagegen aus der Katastrophe nach der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er-Jahre. Die massiv sinkenden Preise führten damals zu Massenarbeitslosigkeit und leisteten in Deutschland dem Aufstieg der Nationalsozialisten Vorschub. Die gegenwärtige leichte Deflation hält Ökonom Christoph Weil von der Commerzbank dagegen für völlig ungefährlich. Im Gegenteil: „Die niedrigeren Energiepreise sind ein Segen für die lahmende Konjunktur“, sagt er. In dieser Sichtweise lässt die leichte Deflation die Kosten für Unternehmen und Verbraucher sinken. Sie geben deshalb mehr Geld aus. Die Firmen haben mehr zu tun und stellen Leute ein. Durch die sinkenden Preise werden außerdem europäische Produkte auf den Weltmärkten billiger – insgesamt könnte damit das europäische Wachstum steigen und die Krise in Südeuropa schneller ein Ende finden.
Unternehmen schieben Investitionen auf
Die Gegenposition vertritt unter anderem Silke Tober vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie (IMK). Sie hält die „sinkende Inflationserwartung“ für problematisch. Begründung: In der Annahme, dass die Preise längere Zeit nicht steigen, könnten Unternehmen Investitionen aufschieben. Das führe zum Abbau von Arbeitsplätzen.
Das Bundesfinanzministerium und die EU-Kommission sehen dagegen keinen Grund für Besorgnis.