Frankfurt/Düsseldorf. . EZB-Präsident Mario Draghi will die Zinsen niedrig halten, mehr Geld auf den Markt bringen und die Inflation erhöhen. Von den Regierungschefs wünscht er sich Reformen.

Bürger, die ein Hyper-Inflation befürchten. Sparer, die sich enteignet fühlen. Die Bundesbank, die vor einer zu großen Euro-Abwertung warnt. Es gibt viele Kritiker und Skeptiker, wenn es um den Kurs von Mario Draghi geht. Was der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) vorhat, ist umstritten – gerade in Deutschland. Das hat auch und vor allem diesen Grund: Draghi kämpft nicht etwa für weniger, sondern für mehr Inflation in der Eurozone.

„Wenn die Inflation lange zu niedrig bleibt, kann es geschehen, dass die Leute auf weiter sinkende Preise setzen und ihre Ausgaben einfach verschieben“, argumentiert Draghi. „Soweit sind wir nicht. Aber wir müssen gegen dieses Risiko angehen.“ In einem Gespräch mit dem „Handelsblatt“ wirbt Draghi für seinen Kurs. „Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass fallende Preise den Wohlstand und die Stabilität unserer Gemeinwesen genauso sehr bedrohen können wie eine hohe Inflation“, sagt er mit Blick auf die Deutschen, deren Land unter zwei Hyper-Inflationen gelitten hat.

Das Zwei-Prozent-Ziel der EZB

Die Gefahr einer hohen Inflation sei derzeit schließlich nicht das Problem, betont der EZB-Chef. Die Inflationsrate in Europa liegt seit sechs Monaten im Durchschnitt bei 0,3 Prozent. Draghi sagt: „Wir haben ein Mandat. Das lautet, die Inflation unter und zugleich nahe zwei Prozent zu halten. Das ist unsere gesetzliche Verpflichtung.“ Das Zwei-Prozent-Ziel gelte seit dem Jahr 2003. Und es stärke sicher nicht das Vertrauen, dieses Ziel nun zu ändern.

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Es zeichnet sich ab, dass Draghi mehr Geld auf den Markt bringen will. Als wahrscheinlich gilt, dass die EZB bald schon im großen Stil Staatsanleihen der Euro-Länder aufkauft. Damit pumpt sie mehr Kapital in die Wirtschaft – in der Hoffnung, dass dadurch die Konjunktur anspringt und die niedrige Teuerung anzieht. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat sich unlängst kritisch zum Kauf von Staatsanleihen geäußert.

Sparer leiden unter dem Kurs der EZB

Draghis aktuelle Andeutungen zu einer noch expansiveren Geldpolitik haben ausgereicht, um den Eurokurs auf den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren zu schicken. Am Freitag rutschte der Euro auf etwas mehr als 1,20 US-Dollar. Zur Erinnerung: Im Mai vergangenen Jahres kratzte der Euro noch an der Marke von 1,40 Dollar. Die Euro-Schwäche ist gut für Exportunternehmen, die ihre Waren auf dem Weltmarkt günstiger verkaufen können. Andererseits bekommen Touristen aus Deutschland jenseits der Grenzen weniger für einen Euro.

Auch Sparer leiden unter dem Kurs der EZB. Da die Zentralbank den Leitzins auf den historisch tiefen Wert 0,05 Prozent gesenkt hat, bringen Sparbücher praktisch keine Rendite mehr. Lebensversicherer tun sich zudem schwer, die versprochenen Renditen zu erwirtschaften. „Ich verstehe die Sorgen der Sparer“, sagt Draghi dazu, fügt aber hinzu: „Ich bin Notenbanker, kein Geldanlageberater.“

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„Expansive Geldpolitik“

Von den Regierungschefs in Europa wünsche sich Draghi eine „Kombination aus expansiver Geldpolitik und staatlichen Reformen“. Flexiblere Arbeitsmärkte, weniger Bürokratie und niedrigere Steuern nennt er als Beispiele. Er lobt die Agenda 2010 der Regierung von Angela Merkels Vorgänger Gerhard Schröder. Durch die Agenda sei Deutschland jetzt „viel stärker und stabiler als der Rest der Euro-Zone“.

Hoffnung auf steigende Zinsen verbreitet der EZB-Chef nicht. „Kämen wir auf die Idee, die Leitzinsen zu erhöhen, dann würde die Krise schlimmer“, sagt er. Die EZB halte die Zinsen niedrig, um die Wirtschaft zu stimulieren. Die Geldpolitik in den USA sieht mittlerweile anders aus. Nachdem die US-Notenbank im Herbst ihre Anleihekäufe beendet hat, wird mit einer Zinserhöhung in absehbarer Zeit gerechnet.

Amtsmüdigkeit will sich Draghi offenbar nicht nachsagen lassen. In seinem Heimatland Italien wird spekuliert, er könne Staatspräsident Giorgio Napolitano nachfolgen. „Ich will kein Politiker sein“, sagt Draghi dazu. Und so sieht es so aus, als werde er noch einige Zeit die Geldpolitik in Europa prägen. Draghis Mandat als EZB-Präsident läuft bis zum Jahr 2019.