Witten. . Die Privatuni Witten/Herdecke gibt erstmals eine Anleihe aus, die mithelfen soll, die hohen Studienbeiträge der Wittener Studenten zu finanzieren. Das Modell soll Investoren anlocken und kann die Debatte über die umstrittenen Studiengebühren in Deutschland bereichern.
Der Schatz der Universität Witten/Herdecke lagert gleich neben den Leichen im Keller: In einem feuerfesten Tresor im Untergeschoss des Campusgebäudes – dort, wo Wittens angehende Ärzte erste Gehversuche in der Pathologie unternehmen – werden all jene Papiere aufbewahrt, mit denen sich die künftigen Absolventen zur Finanzierung ihres Studiums verpflichtet haben. Die Forderungen sind Gold wert für eine Hochschule, deren Etat sich zu einem Viertel aus Studienbeiträgen speist. Jetzt soll der im Panzerschrank gehütete Urkundenberg als Basis dienen für ein neues Investorenmodell, das die schwelenden Debatte über Studiengebühren bereichern dürfte.
Mit einer Studierenden-Anleihe will Witten Geldgeber anlocken, die das Studium vorfinanzieren. Der Lohn: eine relativ hohe Anlagensicherheit und eine derzeit auskömmliche Rendite von jährlich 3,6 Prozent, erwirtschaftet durch die Rückzahlungen jener Studenten, die die Kosten für das Studium erst nach dem Examen abstottern. Das sind inzwischen gut die Hälfte aller 2000 Wittener Studenten, deren Zahl weiter wachsen soll.
Nur wenige nutzen Bildungsfonds
Die Aussichten für die Käufer der Anleihe scheinen also nicht schlecht: Wittens Uni hat einen gute Ruf und bildet überwiegend Mediziner, Zahnärzte und Wirtschaftswissenschaftler aus, Berufe also, in denen üblicherweise viel verdient wird. Außerdem können die Wittener sich ihre Studenten auswählen: Für die 42 Medizin-Plätze stehen regelmäßig 1400 Bewerber an. „Die Forderungen an unsere Späterzahler übersteigen bei Weitem das Anleihevolumen“, sagt denn auch Niklas Becker vom Vorstand der Studierendengesellschaft, die die Anlage (7,5 Millionen Euro Volumen, Laufzeit zehn Jahre, Stückelung: 1000 Euro) herausgibt. Das Papier wird an der Düsseldorfer Börse gehandelt.
Dass Studieren grundsätzlich ins Geld geht, wird in einer privaten Universität besonders drastisch erlebbar. Wer in Witten Zahnmedizin studiert, muss insgesamt 65 000 Euro hinblättern. Für Späterzahler erhöht sich in der Regel der Beitrag. Aus diesem Zugewinn resultiert die Rendite der Anleihe. Völlig risikolos ist diese Anlageform freilich nicht. Denn wie sich die Einkommenssituation der Absolventen tatsächlich entwickelt, kann niemand genau vorhersehen. „Investoren können aber auf die hohe Zahlungsmoral unserer Absolventen vertrauen“, sagt dazu Niklas Becker wohl auch mit Blick auf das gängige Bild vom gutverdienenden Mediziner.
Ulrich Müller vom Centrum für Hochschulforschung (CHE) in Gütersloh hält das Wittener Modell für eine „charmante Lösung, besonders weil es die Studenten selbst organisieren“. Das ist auch der Unterschied zu den wenigen Bildungsfonds wie „Brain Capital“ und „Deutsche Bildung“, die es zwar seit Jahren gibt, die aber in der Studienfinanzierung nur ein Schattendasein führen. Laut CHE nutzen lediglich sechs Prozent der 2,6 Millionen Studenten private Finanzmodelle. 2013 gab es knapp 60 000 Neuverträge für Studienkredite, davon über die Hälfte allein bei der staatlichen KfW-Bank. Zahlen privater Bildungsfonds liegen nicht vor.
Geschützt vor einer Insolvenz, dem Schreckgespenst der Geldanleger, ist der akademische Betrieb übrigens nicht: 2008 wurde eine Hochschule erst nach einer Krisensitzung mit dem Land vor der Pleite gerettet: Witten/Herdecke.