Berlin. Claus Weselsky hat ein Die Bahn hat der Lokführer-Gewerkschaft GDL eine Schlichtung im Tarifstreit angeboten Allerdings müsse der XXL-Streik dafür abgesagt werden. Nach der Ankündigung des Ausstands hagelt es Kritik: Wirtschaft und Politik werfen der GDL Unverhältnismäßigkeit vor.
Die Lokführergewerkschaft GDL hat den Vorschlag der Deutschen Bahn abgelehnt, kurzfristig in ein Schlichtungsverfahren einzusteigen. Das sagte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am Mittwoch in Berlin. Der angekündigte Streik werde wie geplant verwirklicht. Es gehe um das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, das die Bahn verletzen wolle. Darüber könne man nicht verhandeln.
Mit einer Schlichtung wollte die Deutsche Bahn den Lokführerstreik in letzter Minute abwenden. In dem festgefahrenen Tarifkonflikt sollten beide Seiten jeweils einen unparteiischen Schlichter benennen, die dann einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen sollen, sagte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber am Mittwochnachmittag in Berlin.
Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg sagte, der Streik koste die Bahn 50 bis 60 Millionen Euro. Er sollte im Personenverkehr am Donnerstagmorgen beginnen, im Güterverkehr begann er bereits am Mittwochnachmittag. Geplantes Streikende ist Montagmorgen. Homburg sagte, die Hälfte der Güterzüge werde dennoch fahren, im Fernverkehr ein Drittel der Züge, im Regionalverkehr im Osten Deutschlands 20 Prozent, in Westdeutschland 40 bis 60 Prozent.
Weselskys Vorgänger hält GDL-Forderung für unrealistisch
Unmittelbar vor dem größten Streik in der Geschichte der Bahn musste GDL-Chef Claus Weselsky herbe Kritik von seinem Vorgänger einstecken. Die Forderungen seien unrealistisch, sagte der frühere Vorsitzende der Lokführergewerkschaft, Manfred Schell, am Mittwoch dem Fernsehsender N24.
Es fehle eine mögliche Kompromisslinie: "Wer Ziele formuliert, die schwer oder gar nicht erreichbar sind, der muss logischerweise überlegen, wo er am Ende irgendwelche Konzessionen macht." Als "nicht realisierbar" bezeichnete Schell den GDL-Anspruch, auch für die Zugbegleiter Tarifverträge abzuschließen, bei denen man nicht die Mehrheit habe. Das CDU-Mitglied Schell hatte die GDL bis 2008 geführt.
Steikkasse der GDL angeblich "prall gefüllt"
Nach WAZ-Informationen wollen mehr als tausend Lokführer am Freitag vor der Bahnzentrale in Berlin demonstrieren. Der nordrhein-westfälische GDL-Bezirkschef Sven Schmitte sagte der WAZ, die Lokführer seien Gegenwind gewohnt: „Wir stehen das durch.“ Auch finanziell werde die GDL einen längeren Arbeitskampf durchhalten.
Schmitte: „Unsere Streikkasse ist prall gefüllt.“ Schmitte zeigte sich „entsetzt“ über die teils heftige Kritik am Lokführerstreik, besonders von Seiten der Politik und anderer Gewerkschaften. „Dass Politiker verkennen, welch hohes Gut die Tarifautonomie in diesem Land ist, ist ein starkes Stück.“
Verkehrsminister rät Bahn, gegen Streik zu klagen
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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die Deutsche Bahn aufgefordert, gegen den neuen Streik vor Gericht zu ziehen. "Eine Klage wegen Unverhältnismäßigkeit ist im Interesse der Bahnkunden, der Beschäftigten und der Aufrechterhaltung der Güterversorgung in Deutschland geboten", sagte Dobrindt am Mittwoch.
Der viertägige Streik sei unverhältnismäßig, die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber Tarifauseinandersetzungen werde deutlich überstrapaziert. "Die Deutsche Bahn muss ihre Rechtsposition wahrnehmen und alle Rechtsmittel ausschöpfen", betonte Dobrindt. Die Bahn befindet sich zu 100 Prozent in Staatsbesitz.
GDL für verantwortungslosen Missbrauch des Streikrechts kritisiert
Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert an das Verantwortungs-Bewusstsein aller Tarif-Parteien. Es müssten Lösungen gefunden werden, "die auch für uns als Land einen möglichst geringen Schaden haben", sagte sie am Mittwoch in Berlin. "Streiks sind eine Möglichkeit der tariflichen Auseinandersetzung, sie haben aber immer die Verantwortung auch verhältnismäßig zu sein."
Merkel betonte, dass ein Streik bei der Bahn Millionen Bürger und auch die Wirtschaft treffe. "Es gibt eine Gesamtverantwortung", sagte die CDU-Chefin. Sie verwies auf die Möglichkeit einer Schlichtung und fügte hinzu: "Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Wege gesucht werden, die die Verhältnismäßigkeit möglichst gut wahren."
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft der Gewerkschaft vor, mit dem Streik vor allem Eigeninteressen zu verfolgen. "Was derzeit passiert, ist ein Missbrauch des Streikrechts", sagte Gabriel der Bild-Zeitung. "Wir brauchen jetzt Verantwortungsbewusstsein auf allen Seiten für unser Land." Gabriel forderte einen Schlichter oder Vermittler in dem Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn, um Schaden von der Volkswirtschaft abzuwenden.
"Das Streikrecht wurde in den letzten 65 Jahren in Deutschland von den DGB-Gewerkschaften immer verantwortungsbewusst genutzt. Und nur dann, wenn es um Arbeitnehmerinteressen ging", sagte Gabriel. Von diesem Prinzip habe sich die GDL verabschiedet. "Ich appelliere an die Funktionäre der GDL, an den Verhandlungstisch zurückzukommen."
Dobrindt: "Akzeptanz nicht über Gebühr strapazieren"
Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat GDL-Vorsitzenden Weselky gewarnt, die öffentliche Akzeptanz für Streiks über Gebühr zu strapazieren. Der Bild-Zeitung sagte Dobrindt, Streik sei zwar ein elementarer Bestandteil der Tarifautonomie. Doch sollten die Tarifparteien "mit diesem hohen Gut sehr verantwortungsvoll umgehen". Dobrindt erklärte: "Dazu gehört, die Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte wie zum Beispiel Bahnkunden möglichst gering zu halten".
Der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer (CSU), sagte: "Kleine Spartengewerkschaften nehmen Wirtschaft und Gesellschaft immer skrupelloser in tarifpolitische Geiselhaft." SPD-Fraktionsvize Sören Bartol verlangte: "Die Forderung müssen in einem vertretbaren Rahmen bleiben und dürfen nicht nur der eigenen Profilierung als Spartengewerkschaft dienen."
CSU-Chef Horst Seehofer mahnte: "Es muss alles, was da geschieht, in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen." Er bitte, auch an die Folgen für Pendler und für die Wirtschaft zu denken.
EVG-Chef: "Was da passiert, ist nicht zielführend
Trotz allen Ärgers über den XXL-Streik sieht die GDL-Konkurrenzgewerkschaft EVG das geplante Tarifeinheits-Gesetz von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) als wenig hilfreich. Nahles will Tarifkämpfe kleiner Gewerkschaften wie derzeit bei der Bahn per Gesetz eindämmen. Einigen sich mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb nicht, soll der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Gewerkschaft gelten.
Die EVG kritisiert: Der Entwurf bedeute, dass bei der Deutschen Bahn künftig die Mehrheitsgewerkschaft in jedem der 300 DB-Betriebe ermittelt werden müsse. Da aber Zugbegleiter oder Lokführer unterschiedlichen Betrieben zugeordnet seien, würden unterschiedliche Tarifverträge angewendet - je nachdem, welche Gewerkschaft im jeweiligen Betrieb die Mehrheit habe.
Zum Tarifkonflikt zwischen Bahn und GDL sagte Kirchner: "Ich sehe kein lösungsorientiertes Handeln. Was da derzeit passiert, halte ich nicht für zielführend."
Bundesregierung hofft auf schnelle Einigung
Die Bundesregierung setzt beim Lokführerstreik auf eine rasche Einigung. Man hoffe, dass der Konflikt, "der unbeteiligte Bürger und unbeteiligte Unternehmen in hohem Maße betrifft, schnell beigelegt werden kann", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. Das Streikrecht sei ein hohes Gut. Damit verbunden sei allerdings die Anforderung, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Wirtschaft: "Bahnstreik ist Gift für Standort Deutschland"
Die Wirtschaft warnt vor gravierenden Folgen für deutsche Unternehmen. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, sagte am Mittwoch in Berlin: "Was derzeit bei der Bahn passiert, ist Gift für den Standort Deutschland."
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Streiks im Güterverkehr führten bereits nach wenigen Tagen zu Produktionsstörungen, weil Bahntransporte oft nicht kurzfristig auf Straßen oder Schiffe verlagert werden könnten. "In Schlüsselbranchen wie der Automobilindustrie ist die Produktionskette komplett auf Just-in-time-Produktion ausgerichtet."
Gewerkschafts-Streit "auf dem Rücken unbeteiligter Firmen"
So sieht es auch der Großhandelsverband BGA. Besonders betroffen sei der Chemiehandel. "Aber auch für Stahl- und Metallhändler oder Automobilzulieferer ist die Schiene wegen der zu transportierenden Masse unverzichtbar", sagte BGA-Präsident Anton Börner. Ausweichmöglichkeiten gebe es kaum. Es werde daher zu starken Verzögerungen in der Lieferkette kommen. "Auf dem Rücken unbeteiligter Kunden und Unternehmen einen gewerkschaftlichen Konkurrenzkampf auszutragen, wird sich als Bumerang erweisen."
Die GDL begründet die Aktion (Streik von Donnerstagnacht bis Montagmorgen) mit der Weigerung der Bahn, über einen eigenständigen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen zu verhandeln, die nicht Lokführer sind. Ein Einigungsversuch beider Seiten war am Sonntag gescheitert. Dabei ging es um Spielregeln für die künftige Zusammenarbeit zwischen der Bahn, der GDL sowie der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). (dpa/mko)