Berlin. Das Baltikum sieht sich von Russland bedroht. Litauen möchte „noch mehr deutsche Truppen“ aufnehmen. Steinmeier sagt Unterstützung zu.
Es ist der Besuch in einer Region, in der die Angst vor russischer Aggression seit vielen Jahren groß ist. Und neuerdings erst recht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist für einen Tag in die baltische Republik Litauen gereist, um sich ein Bild vom Nato-Engagement unter Leitung der Bundeswehr in dem Bündnisland zu machen. Der baltische Staat weit im Osten der Europäischen Union warnt seit Langem vor der Bedrohung durch den übermächtigen Nachbarn Russland.
Gemeinsam mit den zwei anderen baltischen Staaten Lettland und Estland blickt auch Litauen auf Jahrzehnte der Dominanz und Unterdrückung durch die ehemalige Sowjetunion. Bis heute sitzt die Furcht tief, erneut von dem Riesenreich überrannt zu werden. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist das Gefühl der Bedrohung zusätzlich gewachsen.
Lange Zeit aber wurde vor allem in Westeuropa die Russland-Angst der Balten und anderer Osteuropäer nicht sonderlich ernst genommen. Erst seitdem der russische Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche den Überfall auf das Nachbarland Ukraine befohlen hat, ist auch in Deutschland das Verständnis für die historisch begründeten Bedrohungsgefühle der Menschen im Baltikum immens gewachsen.
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Steinmeier: Wir werden einen langen Atem brauchen
„Wir stehen fest an der Seite Litauens“, sagt Steinmeier beim Besuch des von Deutschland geführten Nato-Kontingents in der Stadt Rukla. Die Bundesregierung sei ein verlässlicher Partner im Nato-Bündnis. Der Krieg sei vor die Haustür der baltischen Staaten zurückgekehrt. Der von Putin verantwortete Angriff auf die Ukraine habe zugleich dazu geführt, dass die Nato enger zusammenstehe. Es sei jetzt wichtig, „dass wir diese Einigkeit bewahren“, sagte Steinmeier. Er rechnet mit weiteren Kriegswochen. „Wir werden einen langen Atem brauchen.“
Für die Kehrtwende in der deutschen Verteidigungspolitik – mit Waffenlieferungen an die Kriegspartei Ukraine und Milliardeninvestitionen in Rüstungsgüter – zeigt Steinmeier Verständnis. „Wir sind nicht in normalen Zeiten“, daher müsse man sich von „alten Gewissheiten“ lösen, betont er.
Der litauische Präsident Gitanas Nauséda dankte Deutschland für seine Solidarität und machte deutlich, dass er sich auch noch weitere Unterstützung vorstellen kann. Litauen sei bereit, „noch mehr deutsche Truppen in Litauen aufzunehmen“. Er hoffe, dass sich die Bundesrepublik dazu entscheiden wird. Deutschlands Kursschwenk in der Verteidigungs- und Sanktionspolitik begrüßt er, sprach sich aber für weitere Verschärfungen aus. Steinmeier und Nauséda besuchten im Anschluss das deutsche Einsatzkontingent der Nato Enhanced Forward Presence (EFP).
Nauséda hatte am erst vergangenen Samstagabend bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin mit Nachdruck eine massive Ausweitung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland gefordert. Er und andere osteuropäische Staatenlenker hatten Deutschland eine viel zu lasche Haltung gegenüber Russland vorgeworfen. Vor der Botschaft in der litauischen Hauptstadt Vilnius kam es zeitweise zu Protesten gegen die Bundesregierung.
Deutschland zeigt bei Sanktionen klare Kante
Doch inzwischen hat Deutschland einen tiefgreifenden, ja, historischen Kursschwenk hingelegt – zur Zufriedenheit vieler Osteuropäer. Anders als früher liefert die Bundesrepublik nun Waffen in ein Kriegsgebiet – die Ukraine. Die deutschen Rüstungsausgaben sollen um 100 Milliarden Euro ansteigen.
Auch bei Wirtschaftssanktionen zeigt Deutschland inzwischen klare Kante: Die deutsch-russische Erdgaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee wurde auf Eis gelegt, zudem wurde Russland aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. Putin aber hat all dies bisher nicht dazu gebracht, den Krieg zu beenden. Die russischen Angriffe werden eher noch brutaler. Und damit bleiben auch die Balten nervös.
Die Nato hat ihre Präsenz an der Ostflanke des Verteidigungsbündnisses zuletzt deutlich aufgestockt. Rund 900 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten – 370 mehr als zuletzt – sollen gemeinsam mit 600 weiteren Kräften aus anderen Nato-Staaten das Sicherheitsgefühl der drei baltischen Staaten erhöhen. Vorrangiges Ziel sei eine „glaubwürdige Abschreckung“ gegenüber Russland sowie Bündnissolidarität mit den osteuropäischen Nato-Partnern, sagte der deutsche Kommandeur des Nato-Bataillons, Daniel Andrä, in Rukla. Er betonte, in der Truppe, in der Soldatinnen und Soldaten aus sieben Nato-Staaten organisiert sind, sei die Unruhe seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine gestiegen, beobachtet er. Zugleich habe in vielen westlichen Staaten die Wertschätzung für den Einsatz erheblich zugenommen.
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