Gladbeck. Die B224 soll zur Autobahn werden. Doch der Protest entlang der Strecke ist groß – besonders in Gladbeck, wo sich ein Autobahnkreuz auf engem Raum in die Höhe schrauben soll. Aber in den Nachbarstädten werden Fakten geschaffen - Gladbeck droht überrollt zu werden, wenn es nicht einlenkt.

Mit Ausnahme der Gesundheitsreform gibt es wohl kein bundesdeutsches Projekt, das so viel Bürokratie verbraucht, so viele Interessen verletzt, so viele Nickeligkeiten produziert wie der Bau einer Autobahn. In vier Städten des Ruhrgebiets haben sich mindestens sechs Bürgerinitativen gegründet, die den geplanten Ausbau der Bundesstraße 224 zur A 52 verhindern, deckeln oder in eine Nachbarstadt verlegen wollen.

Vermesser ausgesperrt

Die Gladbecker Initative „Ab durch die Heege” etwa plädiert dafür, die Strecke durch ein Gelsenkirchener Landschaftsschutzgebiet laufen zu lassen – wogegen dort gleich die „Bürgerinitiative gegen die A 52 über die Heege” gegründet wurde.

Auch der nichtorganisierte Widerstand gegen die Nord-Süd-Trasse von Gelsenkirchen nach Essen verhärtet sich. Als der Landesbetrieb Straßen.NRW im Juni per Flugblatt um Zugang zu den Gärten der Gladbecker Siedlung Moltke IV bat, entschieden die Siedler: „Wir lassen keine Vermesser auf unsere Grundstücke.” Ein Beispiel, das auch im Stadtteil Ellinghorst Schule machte. Vermessung nur gegen Verlegung der Strecke – aber wer will dann noch vermessen?

Streit um den Tunnel

Gladbeck ist also das Zentrum des Protests – auch weil hier die Bahn durch das Zentrum der Stadt schneidet. In Bottrop verläuft sie am Rand, auf Essener Gebiet zu einem großen Teil durch drei Tunnels, die bergmännisch vorangetrieben werden sollen, und abseits der alten B 224. Anwohner in allen Städten sorgen sich gleichwohl um ihre Nachtruhe, den Wert ihrer Grundstücke und die zunehmende Verkehrsbelastung auf den Zufahrtsstraßen.

Kein Wunder also, dass sich auch Bürgermeister Ulrich Roland (SPD) mit der Forderung, Gladbeck zu untertunneln, in den Wahlkampf stürzte. Selbst die Hartz-IV-Initative versuchte mit Fundamentalopposition gegen den Ausbau Stimmen zu fangen. Bislang hat das Land nur eine „Galerielösung” zugesagt, also einen Tunnel, der streckenweise zu einer Seite hin geöffnet ist. Das letzte Verhandlungsangebot ist ein ein Kilometer langer Tunnel, die Stadt beharrt aber auf einer Untertunnelung der deutlich längeren Strecke zwischen Autobahnkreuz und City.

Das Autobahnkreuz schraubt sich in die Höhe

Freilich hat die Stadt keine rechtlichen Handhabe. Und auch wenn die Planungen für diesen Abschnitt bei Straßen.NRW in der Schwebe hängen, so wackelt doch das Wort des Ex-Bauministers Oliver Wittke von Anfang 2008: „Einen Autobahnausbau auf Gladbecker Stadtgebiet wird es gegen den Willen der Stadt nicht geben.” Denn das umstrittene Autobahnkreuz mit der A 2, das im Gladbecker Süden an das Freizeitgebiet Wittringen angrenzt, soll auf jeden Fall gebaut werden – ab 2013, vier Jahre lang.

„Ein Monster, das den Freizeitwert der Anlage beträchtlich beeinträchtigen würde”, kritisierte der von der Stadt beauftragte Gutachter Professor Lühder von der Fachhochschule Münster. Der Knackpunkt: Weil kein Platz da ist für eine klassische Kleeblattkonstruktion, soll sich die A 52 im hohen Bogen, über sich selbst schwingen. Der Streit entzündet sich allerdings schon an der Feststellung der Höhe. Laut Straßen.NRW ist der Überwurf 6 Meter hoch, die Gegner messen 12 Meter von einem anderen Standpunkt. Technisch sei keine andere Lösung möglich, erklärt Elfriede Sauerwein-Bracksiek, Planungsleiterin bei Straßen.NRW. Die Gegner wollen auch hier einen Tunnel.

Das Kreuz soll kommen

Trotzdem: Das Kreuz soll kommen. Und der Abschnitt Bottrop ist schon heute im Planfeststellungsverfahren. Wenn die bislang 900 Einwendungen abgearbeitet sind, könnte er 2012 in den Bau gehen und rund fünf Jahre später fertiggestellt sein. Die Stadt Bottrop unterstützt das Vorhaben, auch weil der Lärmschutz verbessert werden soll und weil die Anbindung besser wird.

Der sieben Kilometer lange Essener Abschnitt könnte auch schon ab Mitte 2011 in die Planfeststellung gehen. Sollte Gladbeck sich also weiterhin sperren, droht es, überrollt zu werden: Heute quälen sich jeden Tag rund 40 000 Fahrzeuge über die Bundesstraße, nach dem Ausbau sollen es etwa 75 000 werden.

Fakten schaffen

Es werden also Fakten geschaffen, und Gladbeck steckt in der Zwickmühle: Wird es zum Nadelöhr oder nimmt es eine fünf- bis siebenjährige Bauphase hin, die die Geschäfte im Zentrum arg zu belasten droht? Im Grunde hat die Stadtspitze nicht einmal diese Wahl und versucht mit sieben Forderungen das Beste herauszuholen: im Wesentlichen den Tunnel und mehr Anschlüsse.

Die radikalen Bürgerinitativen – Tempo 50, Kreisverkehre statt Ampeln – stehen vor diesem Hintergrund auf verlorenem Posten. Und auch die von rund 120 Bürgern getragene „Heege-Initiative” hat wenig Aussichten, ihren Vorschlag verwirklicht zu sehen. Zwar käme die Alternativstrecke durch Gelsenkirchen günstiger, gibt Planungsleiterin Elfriede Sauerwein-Bracksiek zu, „aber laut Umweltverträglichkeitsprüfung ist dies die schlechteste Variante. Und man belastet mehr Menschen, die zudem am Landschaftsschutzgebiet gebaut haben. Die anderen sind ohnehin schon belastet.”