Düsseldorf. Bei 564 Kleinkindern in NRW wird jetzt das Jugendamt eingeschaltet: Die Eltern der sechs bis zwölf Monate alten Kinder sind die ersten, die beim neuen Meldeverfahren aufgefallen sind. Trotz Erinnerungsbriefes erschienen die Familien bislang nicht zur Regeluntersuchung beim Kinderarzt.
Mehr als 6100 Eltern in NRW haben allein in den ersten drei Augustwochen Erinnerungsbriefe bekommen, weil sie ihr Kleinkind nicht pünktlich zu den freiwilligen Früherkennungsuntersuchungen U5 oder U6 geschickt hatten. Die meisten haben das mittlerweile nachgeholt. Am Montag ging nun die erste Liste mit denjenigen Eltern an die Jugendämter, die auch nach zwei Wochen nicht reagiert hatten. 564 Kleinkinder sind betroffen. Jeder Einzelfall soll geprüft werden.
Hintergrund ist das neue Meldeverfahren, das die Untersuchungsquoten steigern und Fälle von Vernachlässigung aufdecken soll. SPD-Wahlkämpferin Manuela Schwesig will das Meldesystem nach der Wahl bundesweit einheitlich durchsetzen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht NRW als Modell für den Bund. Die Landesregierung habe sich schon lange für ein einheitliches Verfahren eingesetzt. „Leider haben sich noch nicht alle Länder für diesen Weg entschieden.”
Behörden rechnen mit 90.000 Ermahnungen jährlich
In Mecklenburg-Vorpommern, wo Frank-Walter Steinmeiers Schattenkabinettsfrau Schwesig als Sozialministerin das Meldeverfahren ebenfalls Ende 2008 eingeführt hatte, haben sich die Teilnahmequoten an den „U”-Kontrollen um knapp zehn Prozent gesteigert. Aber auch in Schwesigs Bundesland reagierten einige der angeschriebenen Eltern auch nach Wochen nicht – in 15 Prozent der Fälle wurden die Gesundheits- und Jugendämter eingeschaltet.
In NRW wird ab 1. September das Meldeverfahren schrittweise auf alle Vorsorge-Untersuchungen ausgedehnt und erfasst dann auch die älteren Kinder. Bereits jetzt melden die rund 10 000 Kinderärzte in NRW alle Kinder, die pünktlich zur „U” erschienen sind. Diese Daten werden mit den Daten der Einwohnermeldeämter verglichen. Ab Herbst werden dann regelmäßig alle säumigen Eltern angeschrieben – von der U5 bis zur U9. Die Behörden rechnen mit 90 000 Ermahnungen jährlich.
"Gerade bei älteren Kinder vergessen Eltern oft die Termine"
„Es geht nicht darum, Eltern an den Pranger zu stellen”, so Laumann. Gerade bei älteren Kindern vergessen Eltern oft die Termine oder halten sie für unnötig. Hinzu kommen Fehlerquellen. Beispiel: Die Kinderarztpraxis liegt hinter der Landesgrenze, der Arzt war im Urlaub, die Familie länger verreist. Auch für die Eltern ist das Verfahren ungewohnt: „Allein in den ersten zwei Wochen haben wir mehr als 3000 Anrufe bekommen”, so Gaby Lopian vom Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit in Düsseldorf.