Angst und Schrecken verursacht die Schweinegrippe in Deutschland derzeit nicht.

Die Menschen warten die Entwicklung einigermaßen ruhig ab, obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die höchste Pandemie-Stufe schon vor zwei Monaten ausgerufen hat und damit die neue Grippe zur weltweiten Seuche erklärte. Die Infektionszahlen steigen rasant: Weltweit sind nach neuen Angaben der WHO rund 170 000 Menschen infiziert, etwa 1200 starben. In Deutschland haben sich 9213 Menschen mit dem H1N1-Virus angesteckt, zählte das Robert-Koch-Institut. Täglich steigt die Zahl um einige Hundert.

Bislang verlief der Großteil der Infektionen gottlob relativ mild, was einiges zu der Gelassenheit beiträgt, mit der Bürger, Ärzte und Politiker auf die Pandemie reagieren. Schon kursieren Witze über die Schweinegrippe, ein untrügliches Anzeichen dafür, dass die Menschen das Risiko zwar wahrnehmen, aber kleinlachen mögen. Der Vorwurf des Alarmismus und der Geschäftemacherei liegt also auf der Hand und wäre vor allem dann berechtigt, wenn es bei der bisherigen Harmlosigkeit des Erregers bleibt. Doch selbst in diesem Fall ist Aufmerksamkeit geboten.

Sollten die Infektionszahlen weiterhin dramatisch anwachsen, werden Kindergarten- und Schulschließungen kaum zu vermeiden sein. Viele Eltern müssten sich frei nehmen, um ihre Kinder zu betreuen. Ganze Betriebe müssten schließen, wenn Mitarbeiter erkranken. Die Schäden und die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Entwicklung wären enorm und gingen in die Milliarden – selbst bei einem milden Krankheitsverlauf.

Dass das Virus aber so harmlos bleibt, ist keinesfalls sicher. Experten beunruhigt, dass die Infektionszahlen sogar in den Sommermonaten weiter steigen. Im Herbst, wenn das H1N1-Virus mit der saisonalen Grippe zusammentrifft, könnte sich die Entwicklung dramatisieren. Zudem ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Schweinegrippen-Virus mit anderen Grippe-Erregern genetisch zu einem Supervirus mutiert. Auch die Pandemie von 1968, bei der es ebenfalls keinen Impfschutz gab, verlief zunächst relativ harmlos, forderte jedoch am Ende weltweit rund eine Million Todesopfer. Ähnlich war es auch 1957.

Alles hängt davon ab, die Zahl der Erkrankungen niedrig zu halten, bis ein Impfstoff vorhanden ist. Die Absage von Großveranstaltungen und die befristete Schließung von Schulen könnten dabei helfen.