Quelle hat kein Geld mehr, Schaeffler, Infineon und Quimonda sind schwer angeschlagen. Die Krise trifft den Freistaat Bayern besonders hart. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer gerät dadurch immer stärker in Bedrängnis.

Essen. Der Himmel über Bayern war seit Jahrzehnten immer weiß-blau. Seit Mitte 2008 bläst die Finanz- und Wirtschaftskrise jedoch schwarze Wolken über den Freistaat – nicht nur über die Quelle-Zentrale in Fürth. Die Chiphersteller Qimonda und Infineon sind schwer angeschlagen, der Automobilzulieferer Schaeffler ebenfalls, die traditionsreiche Porzellan-Manufactur Rosenthal ist pleite: Das erfolgsverwöhnte Bayern steht vor einem Strukturwandel, wie ihn das Ruhrgebiet viel weitergehend längst hinter sich gebracht hat.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kommt gar nicht mehr nach, die angeschlagenen Unternehmen seines einstigen Vorzeigelandes zu retten. Parallele zum Revier, das die Montankrise verarbeiten musste: Die strukturschwache Region Franken trifft die Krise am härtesten. Von den einst 20 000 Grundig-Mitarbeitern in Nürnberg sind gerade einmal einige hundert übrig geblieben. Die Produktion der Elektronikgeräte wurde in die Türkei verlagert. 2007 schloss AEG-Hausgeräte – ebenfalls in Nürnberg. Herzogenaurach mit Schaeffler und Fürth mit Quelle liegen in der Nachbarschaft.

In Franken musste die CSU bei der Europawahl am meisten Federn lassen. Da wundert es nicht, dass Seehofer vor der Bundestagswahl besonders häufig im Frankenland unterwegs ist, etwa, um für einen Kredit an Quelle zu werben.

Schon sieht die Süddeutsche Zeitung den Werbeslogan „Laptop und Lederhose”, den einst der erfolgsverwöhnte und auf Innovationen ausgerichtete CSU-Regierungschef Edmund Stoiber ausrief, als überholt an. Dem Nachnachfolger Seehofer gehe es „eher um die Lederhose”. Er wolle erhalten, „was womöglich nicht zu erhalten ist” – wie weiland NRW die Kohle. Von einem „überheblichen Land” und von „Selbstgefälligkeit” der Bayern schreibt die in München erscheinende SZ.

Seehofer gibt den Unternehmens-Retter. Dabei muss das einstige Musterland Bayern, das noch 2006 einen ausgeglichenen Staatshaushalt vorweisen konnte, nun die meisten Schulden unter den 16 Bundesländern aufnehmen. Der größte Brocken des 17,5 Milliarden Euro schweren Defizits ist die Eigenkapitalspritze von zehn Milliarden Euro für die schwer trudelnde bayrische Landesbank. Hinzu kommen milliardenschwere Garantien für das Geldinstitut, welches das Kabinett Beckstein/Huber schon 2008 um die Wiederwahl brachte.

Experten sind sich einig, dass das Rettungsmodell für die Bayern LB eine tickende Zeitbombe ist: für den ohnehin auf Kante genähten Landeshaushalt und für Ministerpräsident Seehofer selbst.

Die tiefe Bayern-Krise, meint die Süddeutsche Zeitung, werde den Stolz des Freistaates nicht vertreiben, „aber er wird bröseln”.