Essen. Die Regierungskoalition wird erst nach dem Ende der Krise an einen Schuldenabbau und Sparmaßnahmen denken. Ungeachtet der prekären Haushaltslage will sie die Steuern teils auf Kosten der Bundesländer um bis zu 24 Milliarden Euro jährlich senken, vor allem für Familien und Unternehmen.
Sie vermied aber eine feste Zusage, da man in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit besser „auf Sicht” fahre. Unklar ist, wie Union und FDP mit ihrem Programm Wachstum fördern wollen. Denn private Haushalte legen viel von dem Ersparten zurück. Es sieht so aus, als würde auf die erwartete und nötige Sanierung des Haushaltes verzichtet. Die Ankündigungen der Wohltaten bleiben vage, und es ist unklar, woher das Geld für versprochene Maßnahmen kommen soll. Vor allem aber lässt die Koalition trotz der Zwänge durch Stabilitätspakt und Schuldenbremse offen, wie sie den Haushalt konsolidieren will. Dies könnte die Europäische Union als Ganzes in den Abgrund schicken. Denn wie soll man anderen Ländern erklären, jetzt müsse 2011 in Richtung Defizitabsenkung gewirkt werden, wenn parallel dazu die Deutschen in die andere Richtung marschieren?
Nur auf Sicht fahren und deshalb erst später konsolidieren zu können, ist schon seit jeher als unbrauchbares Argument bekannt. Unabdingbar ist eine glaubwürdige Strategie zur Etatkonsolidierung. Gibt es sie nicht, erwarten Bürger und Unternehmen künftig noch höhere Steuern und der Staat würde sich durch immer höhere Zinszahlungen strangulieren. Beides hemmt Konsum und Investitionen. Ein Fahren auf Sicht bedeutet einen unstetigen wirtschaftspolitischen Kurs, der verunsichert und zu Angstsparen und später zu umso hektischeren Sparmanövern führt.
Wachstumsschwäche keine Folge des geringen Konsums
Die jetzige Wachstumsschwäche ist keine Folge eines zu geringen Konsums. Auch eine Senkung der Einkommensteuer führt nicht zu Wachstumsimpulsen und daraus resultierenden Steuermehreinnahmen an anderer Stelle. Eine Senkung kann allenfalls 30 bis 40 Prozent der Steuerausfälle kompensieren. Dies gilt zudem nur längerfristig, und der Effekt ist sehr unsicher. Das neue vereinfachte Drei-Stufen-Steuermodell ist zwar ein ganz gutes Symbol. Aber eine echte Steuervereinfachung, die unser kompliziertes Steuersystem international wettbewerbsfähig machen würde, sieht anders aus. Die Reform der Unternehmensbesteuerung ist dagegen eher vorteilhaft, da Eigenschaften beseitigt werden, die in der auslaufenden Krise den Unternehmen schaden. Steuersenkungen können uns noch ein wenig aus der Krise ziehen, aber sie kommen zu spät.
Es sollte besser auf Forschung und Bildung gesetzt werden und die Ausgabenseite des Budgets mittelfristig durch echte Ausgabensenkungen in anderen Bereichen wie den Sozialversicherungen, dem staatlichen Personal sowie ungerechtfertigten Subventionen in Ordnung gebracht werden. Staatsschulden verdrängen dann weniger private Investitionen.
Ansgar Belke ist Makroökonom an der Universität Duisburg-Essen und am DIW Berlin.