Berlin. Wer ist Heinz Buschkowsky? „Eine coole Sau”, sagt der Rapper Bushido. „Ein spannender Mann”, findet Plakatkünstler Klaus Staeck. Buschkowsky selbst sagt: „Ich bin der Nestbeschmutzer und für die meisten anderen Bürgermeister der kleene Doofe aus Neukölln.”
Und warum? Weil Heinz Buschkowsky mit seinen 1,69 Metern einer der wenigen deutschen Politiker ist, der den Mut hat, zu sagen: „Wir produzieren eine Unterschicht, die unsere Gesellschaft in 15 Jahren nicht mehr aushält.”
Allein im Nordteil von Neukölln leben 160 000 Menschen. Mehr als die Hälfte sind Zuwanderer, in manchen Klassen gibt es kein einziges deutschstämmiges Kind mehr, an vielen Schulen sind 90 Prozent der Eltern arbeitslos. „Die Kinder kennen niemanden mehr, der arbeitet”, warnt Heinz Buschkowsky, SPD-Bezirksbürgermeister von Neukölln. Geld zum Leben kommt vom Staat – und es ist für viele Familien mehr als sie je hatten, früher in Anatolien, in Afghanistan, im Libanon. Wie also erklärt man diesen Kindern, dass es trotzdem wichtig ist, früh aufzustehen und in die Schule zu gehen? Bildungsbewusste Migranten können nicht mehr als Vorbilder dienen – sie verlassen heute als erste das Getto, die Parallelgesellschaft, den zerplatzen Traum von Multikulti.
Ein Schach spielender Russe
Vor kurzem saß Buschkowsky neben Ursula von der Leyen und Wolfgang Schäuble. Die beiden CDU-Minister werben für ein neues Projekt. Junge, gut integrierte Migranten sollen sich um Gleichaltrige kümmern. Von der Leyen schiebt einen jungen Russen nach vorne, der gleich nach seiner Ankunft in Deutschland in einen Schachverein eingetreten ist und dort Deutsch gelernt hat. „Ein Schach spielender Russe ist doch kein Integrationsproblem”, brummt Buschkowsky. Schöne, heile Integrationswelt. „Was meinen Sie, was passiert, wenn ich den auf meine arabischen Gangs in der Sonnenallee loslasse?”
Ein Berliner Soziologe hat ausgerechnet, dass in Nord-Neukölln in zehn Jahren 80 Prozent der Bevölkerung nicht-deutscher Herkunft sein werden, der Rest ist deutsche Unterschicht. „Die Entmischung läuft in atemberaubendem Tempo.” Nicht nur in Neukölln. Buschkowsky hat mit seinen Kollegen aus Duisburg-Marxloh, Essen-Katern-berg, aus der Dortmunder Nordstadt gesprochen. „Denen geht es ähnlich”, glaubt er. „Aber sobald ein Mikrofon in der Nähe ist, reden die alle nur noch von ihrem multikulturellen Weihnachtsmarkt.” Das sei wohl die Angst vor der Neuköllnisierung des Rufs.
Wachschutz für Schulen
Buschkowsky schickt engagierte Migrantinnen als Stadtteilmütter in die Familien, er plant um die skandalträchtige Rütli-Schule einen neuen Bildungscampus fürs „Wir”-Gefühl in Neukölln. Er organisiert aber auch Wachschutz an 16 Schulen – und lässt sich deswegen vom Berliner Innensenator „paramilitärische” Aktionen vorwerfen. Er fordert ein Verbot von türkischsprachiger Werbung und kriegt Ärger mit den Grünen. Er verlangt Kindergeldstop für Eltern von Schulschwänzern und muss sich anhören, er schade damit den Kindern. „Den Kindern hilft es, wenn sie in die Schule gehen”, blafft Buschkowsky zurück. Und außerdem: „Wir erhöhen das Kindergeld im Glauben, dass die deutsche Suffski-Familie davon eine Geige kauft. Das wäre mir aber neu.”
In Neukölln lieben sie ihn, in seiner Partei, der SPD, werfen sie ihm vor, er trage das Elend des Bezirks wie eine Monstranz vor sich her. „Viel Feind, viel Ehr”, kontert Buschkowsky und freut sich, dass er mit seinen 60 Jahren nichts mehr werden muss in der Partei. Ihn treibt etwas anderes: Der kleine Mann mit der Berliner Schnauze hat noch eine alte Rechnung offen mit seinem Heimatbezirk. Aus kleinen Verhältnissen konnte er nach dem Krieg seinen Weg nach oben machen, ohne dass ein gut verdienender Papa alles regelte. So etwas soll hier wieder möglich sein.
Nach dem Treffen mit Schäuble und von der Leyen diskutiert Buschkowsky mit seinem SPD-Genossen Klaus Staeck. Wieder taucht die Frage nach der politischen Unerschrockenheit auf: „Würden Sie einem Nachwuchspolitiker raten, so zu reden wie Sie?” Buschkowsky hebt die Hände: „Um Gottes Willen. Der vernichtet seine Karriere.”
Buschkowskys Karriere:
Heinz Buschkowsky, Sohn eines Schlossers und einer Sekretärin, wuchs in Neukölln zu viert in einer Einzimmerwohnung im Keller auf. Nach einer Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt arbeitete er ab 1973 für den Berliner Senat. 1985 wurde er zum Fraktionsvorsitzenden der SPD Neukölln gewählt. Nach vielen Jahren im Finanzrat ist er heute auch Bürgermeister eines Bezirks, der sich mit zahlreichen sozialen Brennpunkten auseinandersetzen muss.