Ruhrgebiet. Was hat Frank-Walter Steinmeier da eigentlich versprochen: Vier Millionen neue Arbeitsplätze bis 2020! Haben wir uns verhört? Wir fragten Menschen, die heute schon in den Branchen arbeiten, die der SPD-Kanzlerkandidat als zukunftsträchtig identifiziert hat.
Zwei Millionen Jobs sieht er in der Industrie, speziell in der Umwelttechnik und der neuen Autotechnologie. Eine Million sollen nach seinem „Deutschlandplan” in der Gesundheitswirtschaft entstehen und jeweils 500 000 in der Kreativwirtschaft und im Bereich sonstige Dienstleistungen.
Die Altenpflegerin
Ein Lächeln, ein Dankeschön von den Bewohnern des Marienhauses in Essen sind für die Altenpflegerin Angela Galliet der schönste Lohn. Die Menschen leben immer länger, die 43-Jährige arbeitet also in einem Beruf mit Zukunft – eigentlich.
„Ich will etwas mit Menschen zu tun haben. In unserem Beruf lernt man, wie vielfältig und unterschiedlich Menschen sein können”, beschreibt Angela Galliet ihren Traumberuf, den sie seit über 25 Jahren ausübt. Eigentlich sollten die Zukunftsaussichten rosig sein, doch die Altenpflegerin kritisiert, dass mit immer weniger Personal immer mehr Senioren betreut werden müssten. „Wir benötigen viel mehr Altenpfleger, doch es werden zu wenig eingestellt, weil die Pflegekassen sparen”, erläutert Angela Galliet. Der Medizinische Dienst der Kassen ordne den Pflegebedürftigen zu niedrige Pflegestufen zu. Seniorenheime hätten dadurch zu wenig Geld für Personal zur Verfügung.
Fazit: „Ich glaube nicht, dass es in den nächsten zehn Jahren mehr Arbeitsplätze in der Altenpflege geben wird, dafür ist wohl kein Geld da. Es sei denn, dass endlich alle in die Pflegekassen einzahlen und nicht nur die angestellten Arbeitnehmer.”
Der Umwelttechniker
Alle Zeichen stehen auf „Grün!!!” für seine Branche, glaubt Joachim Binotsch. Der Bedarf nach Windkraft-Anlagen, Solarmodulen und Biomasse-Kraftwerken sei akut. Auch wenn Windkraftprojekte in Deutschland immer öfter vor Gericht gezerrt werden – „in Osteuropa gibt es einen Riesenboom, die Opec-Staaten erkennen, dass es sinnvoll ist, ihre Wüste zu nutzen, und Obama hat die USA aufgeweckt”. Der Diplom-Geograf Binotsch und seine zwei Partner liefern mit ihrem Unternehmen BBB Umwelttechnik das Know-How für die Errichtung von nachhaltigen Kraftwerken, hauptsächlich von Windparks.
Solche Anlagen hat BBB Umwelttechnik nach seiner Gründung 1996 zunächst in Eigenregie hochgezogen und verkauft. Mittlerweile hat das Gelsenkirchener Unternehmen sich auf Beratungen und Gutachten spezialisiert, Binotsch selbst berät Investoren: Wieviel ist eine bestimmte Anlage wert, und welche technischen Risiken bestehen. Ein Markt mit Zukunft: Im aktuellen Krisenjahr wuchs der Betrieb um 50 Prozent auf nun 15 festangestellte Mitarbeiter.
Wer in diese Branche einsteigen will, dem empfiehlt der 38-jährige Geschäftsführer: Maschinenbau, Elektrotechnik oder Umwelttechnik studieren mit Schwerpunkt Klimatologie. Und möglichst viele Fremdsprachen erlernen.
Der Webdesigner
Bücherwissen ist sein Ding nicht. Patryk Czubaty sieht sich als Mann der Tat. Ein Praktiker in Einsen und Nullen. Als 18-Jähriger brachte der Essener seinen ersten Text im Internet zum Blinken. Jetzt, zwölf Jahre später, macht Czubaty das professionell, als Webdesigner in der Essener Werbeagentur Koch. „Der schiebt nur Pixel hin und her – da ist doch nichts dabei.” Mit derlei Schmähungen hat Patryk Czubaty zu kämpfen. Dabei ist sein Job weit komplexer. Eine Mischung aus Designer und Programmierer. Der Nutzer sieht nur das fertige Ergebnis: Eine Internetseite, die längst mehr als bloß blinkt. Mit Verlinkungen, bewegten Bilder, Videos. Patryk Czubaty dagegen sieht den Quellcode. Den Prozess, der dahinter steckt.
„Jeder Auftrag ist eine neue Herausforderung”, sagt Patryk Czubaty. Und genau darin liegt für ihn die Faszination seines Berufs: „Immer vor Probleme gestellt zu werden, die man selbst lösen muss.” Was dazu führt, dass die Arbeit selten mit dem Feierabend aufhört. „Aber das muss man in der Werbebranche in Kauf nehmen”, was der Autodidakt gerne tut. Denn Die Zukunftsperspektiven als Webdesigner seien gut, „weil sich das Internet immer weiter entwickelt”. Kein Projekt sei jemals wirklich abgeschlossen.
Der Ingenieur
Ehrensache, dass Niels Fries einen Elektroroller fährt, der natürlich von der eigenen Solaranlage „betankt” wird. Als Mitglied der „Initiative Solarmobil Ruhrgebiet” wirbt Fries für Elektrofahrzeuge – und auch in seinem Job als Entwicklungsingenieur bei einem Autozulieferer geht es mehr und mehr um die „Elektrifizierung von Fahrzeugen”. Der Elektroingenieur produziert gewissermaßen Erfindungen, die zu saubereren Autos führen. Im Team natürlich und immer am Puls der Technik.
Denn auf Pumpen hat sich sein Arbeitgeber, Pierburg Pump Technology in Neuss, spezialisiert. Zum Beispiel hat Fries eine Pumpe mitentwickelt, die innerhalb von Wasserstoffbrennzellen für Zirkulation sorgen sollen.
Die Aussichten für seine Branche, glaubt der 43-Jährige, „sind ganz grandios”. Die neue Nachfrage nach Hybridfahrzeugen befeuert die Jobsituation in der Forschung und Entwicklung. Und dies könnte nur der erste Schritt sein auf dem Weg zum Auto mit komplett sauberer Technik. An Fries' Lebenslauf kann man ablesen, welche Qualifikationen gefordert sind: Im Studium setzte er den Schwerpunkt Leistungselektronik und elektrische Maschinen und Antriebe. Bei Varta vertiefte er sein Wissen in Batterietechnik, wurde zum „Akkudemiker”. NRW ist aus Sicht des Ingenieurs ein „technologisches Schlaraffenland”: Die Fachkräfte, die Hochschulen, die Fertigungsstandorte mit all ihrem Knowhow – und alles gut erreichbar.