Evangelische Kirche wählt bei ihrer Synode in Ulm neuen Vorsitz – Sorgenvoller Blick geht nach Berlin

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat die Weitsicht in diesem Jahr gleich mit dem Tagungsort gebucht. Sie konferiert mit Blick aufs Ulmer Münster. Sein Kirchturm gilt mit 161,5 Metern als der höchste der Welt. Und die Synodalen nutzen die Chance von Ulm und schauen bis nach Berlin – auf den neuen Koalitionsvertrag. Er wird überall diskutiert. Der Präses der rheinischen Landeskirche, Nikolaus Schneider, ein ausgewiesener Sozialethiker, sieht dabei sorgenvoll Richtung Regierung.

Der Kirchenmann kritisiert, „dass die solidarische Finanzierung der Sozialsysteme weiter aufgeweicht wird”. Er ist nicht einverstanden mit der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke. Das, was die Regierung plane, sei „eine Verbeugung vor der Energiewirtschaft und eine Lizenz zum Gelddrucken”. Man dürfe gespannt sein, wozu die Regierung die zusätzlichen Gewinne nutzen wird, sagte er der WAZ.

Schneider sieht aber auch nach Düsseldorf. Er äußerte die Hoffnung, dass der Sozialflügel der CDU „die Kraft aufbringt, die Marktradikalen im eigenen Lager und in der FDP einzufangen” – wie NRW-Minister Laumann angekündigt und Ministerpräsident Rüttgers versprochen hätten.

Doch die Politik ist nicht das Hauptthema der Synode. Das sind die Wahlen. Zunächst wählen die 126 Synodalen einen neuen Rat, das oberste Leitungsgremium der EKD, ihre „Regierung”. Anschließend, wohl am Mittwoch, bestimmt der neue, 15-köpfige Rat den oder die Vorsitzende aus seinen Reihen. Und da sandte der Himmel über Ulm bereits im Vorfeld, als sich am Sonntagabend die 22 Kandidaten vorstellten, ein winziges Zeichen in das Congress Centrum. Just bei Bischöfin Margot Käßmann, Favoritin für die Nachfolge des scheidenden Vorsitzenden Wolfgang Huber, brach bei den nüchternen Kirchenparlamentariern Begeisterung aus. Sie erhielt als einzige langen Beifall.

Ihre Vorstellung wurde allgemein als stark bewertet. Dabei sprach die Bischöfin über ihre Arbeit, aber auch über ihre Scheidung vor zwei Jahren. „Mit Trauer musste ich mich damit auseinandersetzen”, sagte sie mit sehr ruhiger, ernster Stimme, „dass das Geschenk, verheiratet zu sein”, in ihrem Leben nicht angedauert habe. Es waren nur wenige Sätze dazu, doch offenbar traf sie genau den richtigen Ton.

Dabei ist für diese Wahl gar keine Bewerbung vorgesehen. Der Wahlausschusss hat schon eine Vorauswahl getroffen. Und dabei geht es protestantisch streng nach Proporz zu. Alle Konfessionen wollen bedacht werden: Die Reformierten, (also Protestanten, die sich auf Johannes Calvin berufen), Lutheraner (sie stehen ganz in Luthers Tradition) und die unierten Kirchen (sie bilden eine Kirchenunion mit Reformierten und Lutheranern wie die rheinische Landeskirche); Frauen und Männer, Liberale und Konservative, Pietisten und Evangelikale, Bischöfe und Nicht-Ordinierte werden berücksichtigt. Und dann soll eigentlich noch eine Brücke vom Rat zur Politik geschlagen werden. Doch in diesem Rat, das steht schon vor der Wahl fest, werden weniger Politiker vertreten sein als im alten. Und ob Weitsicht als Brückenbauer reichen wird, das muss sich erst erweisen.