Thilo Sarrazin gilt als jemand, der kein Blatt vor den Mund nimmt – gerade weil er provoziert und vermeintliche Tabus berührt. Und ist der „Tabubruch” nicht nötig, um nicht einer naiven, trügerischen Harmonietümelei auf den Leim zu gehen?
So sieht er sich mit seinen Äußerungen über die Migrantenintegration wohl selbst. Nur: Jetzt überschritt er Grenzen des politischen Anstands und seiner Kompetenzen.
Erstens: Als Vorstand der Bundesbank hat er sich an den Verhaltenskodex des Hauses zu halten, der ihm solche Äußerungen untersagt. Sie untergraben die Reputation der Bundesbank (und der Republik, für die die Bank ein Aushängeschild ist).
Zweitens: Sarrazin nutzt unbestreitbare Tatsachen (Integrationsunwillige gibt es auf beiden Seiten, in allen Einwanderungsländern), um ganze Volksgruppen pauschal zu diffamieren. Das ist übel. Auch Rechtsradikale bedienen sich dieses Musters.
Drittens: Indirekt spielt Sarrazin mit dem Vorwurf, in Deutschland dürfe man nicht sagen, was man denkt. Auch das ist oft ein Spruch Radikaler. Sie reden so, um als Opfer von „Denkverboten” interessanter, wichtiger zu wirken: Sarrazin macht ihr Gedankengut hoffähig – ob er es will oder nicht.