Washington/New York. Zehn der größten US-Banken benötigen zusätzliche Finanzspritzen, um sich gegen eine mögliche Verschärfung der Konjunkturkrise abzusichern. Sie müssen ihre Kapitalreserven um 74,6 Milliarden Dollar aufstocken. Das ist das Ergebnis eines Belastungstests.

Zehn der größten US-Banken müssen ihre Kapitalreserven um 74,6 Milliarden Dollar (rund 56 Milliarden Euro) aufstocken. Dies geht aus den Befunden des Belastungstests («Stresstest») hervor, die das Finanzministerium und die Notenbank am Donnerstag in Washington vorlegten. Fed-Chef Ben Bernanke äußerte die Erwartung, dass die Testergebnisse «die Investoren und die Öffentlichkeit erheblich beruhigen» dürften.

Das staatliche Prüfverfahren ergab den Angaben zufolge, dass zehn der 19 untersuchten Banken zusätzliche Finanzspritzen benötigten, um sich mit einem stärkeren «Kapitalpolster» gegen eine mögliche Verschärfung der Konjunkturkrise abzusichern. Die betroffenen Banken sind laut Bernanke in einer guten Position, um das Kapital innerhalb der vorgegebenen Frist von sechs Monaten auf dem privaten Markt einzuwerben. Andernfalls werde die Regierung weitere Hilfen bereitstellen, hieß es in einer Erklärung des Fed-Chefs.

Größter Kapitalbedarf bei Bank of America

Den weitaus größten Kapitalbedarf bescheinigten die staatlichen Prüfer dem Branchenriesen Bank of America mit 33,9 Milliarden Dollar. Wells Fargo benötige zusätzlich 13,7 Milliarden Dollar, die General-Motors-Finanztochter GMAC 11,5 Milliarden Dollar und die Citigroup 5,5 Milliarden Dollar.

Der zusätzliche Kapitalbedarf von Regions Financial wird mit 2,5 Milliarden Dollar beziffert, weitere Finanzspritzen seien außerdem erforderlich bei SunTrust (2,2 Milliarden Dollar), Morgan Stanley (1,8 Milliarden Dollar), Keycorp (ebenfalls 1,8 Milliarden Dollar), Fifth Third (1,1 Milliarden Dollar) und PNC (0,6 Milliarden Dollar). Zu den Unternehmen, deren Kapital als ausreichend gilt, zählen JPMorgan, Goldman Sachs, American Express, MetLife und CapitalOne.

Mehrere Großbanken stellten umgehend eine schnelle Rückzahlung der Staatshilfen in Aussicht. Morgan Stanley und Citigroup erklärten, sie könnten die Gelder in Kürze zurückzahlen. Citigroup-Chef Vikram Pandit sagte, die Gelder sollten «so schnell wie möglich» zurückerstattet werden. Auch Morgan Stanley strebte nach eigenem Bekunden eine Rückzahlung «so schnell wie möglich» an. Wells Fargo-Chef John Stumpf erklärte, seine Bank benötige keine weiteren Hilfen. American Express-Chef Kenneth Chenault teilte mit, sein Bank habe auf Basis der Test-Ergebnisse die Rückzahlung der 3,4 Milliarden Dollar-Hilfe beantragt.

In Reaktion auf die Testergebnisse kündigte die Bank of America an, einige Sparten wie etwa die First Republic Bank verkaufen zu wollen. Zudem werde geprüft, ob neue Aktien ausgegeben beziehungsweise Vorzugs- in Stammaktien umgewandelt werden. Die Citigroup kündigte an, ihren zusätzlichen Kapitalbedarf durch weitere Umwandlungen von Vorzugs- in Stammaktien zu sichern. Wells Fargo will weitere Aktien im Wert von sechs Milliarden Dollar verkaufen.

45-tägiges Prüfungsverfahren

Die vorgelegten Befunde sind das Ergebnis eines 45-tägigen Prüfungsverfahrens, in dessen Verlauf mehrere hundert Mitarbeiter von Finanzministerium, Notenbank und Bankenaufsicht die Bücher der größten US-Banken untersucht haben. In Rechenmodellen spielten sie durch, ob die Banken mit ihrer derzeitigen Kapitalausstattung auch bei einer Verschärfung der Rezession ihren Bestand und ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe sichern könnten.

Zugrunde gelegt wurde dabei verschiedene Szenarien über die weitere Konjunkturentwicklung. Ebenfalls eingeflossen in die Berechnungen sind mögliche Wertverluste aus Ramschpapieren, die nach dem Zusammenbruch des Immobilienmarkts weitgehend unverkäuflich geworden sind.

Banken mit zu wenig Kapital sollen sich dieses binnen sechs Monaten bevorzugt auf dem privaten Kapitalmarkt beschaffen. Von der Vorlage der Testbefunde erhofft sich die Regierung eine Stabilisierung des Finanzsektors. Die Ergebnisse der Prüfung sollen die Transparenz des Sektors stärken und ein Schritt zur Wiederherstellung des Vertrauens sein. Die Veröffentlichung werde «einiges Vertrauen in das Finanzsystem sowie wirkliche Klarheit über den Weg nach vorne» schaffen, sagte Präsidentensprecher Robert Gibbs im Weißen Haus. (afp)

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