Madrid/Saada. Religiöser Fantismus islamistischer Extremisten ist offenbar der Hintergrund des Geiseldramas im Jemen. Die Tat richtet sich nach bisherigen Erkenntnissen gegen unerwünschte christliche Missionsarbeit.

Der Nebel um das Geiseldrama im Jemen lichtet sich. Die Ermordung von drei Frauen und die Entführung einer fünfköpfigen deutschen Familie sowie eines britischen Ingenieurs wurde ganz offenbar aus religiösem Fanatismus von islamistischen Extremisten begangen.

Die Wahnsinnstat richtet sich, nach allem was man bisher weiß, gegen unerwünschte christliche Missionsarbeit, die im humanitären Einsatz der Ausländer gesehen wurde. Wie inzwischen bekannt wurde, gelten alle Opfer als tiefreligiös und haben sich bei christlichen Missionswerken auf ihren Einsatz im Jemen vorbereitet. Das niederländische Hilfswerk "Worldwide Services" (WWS), welches die humanitäre Hilfsarbeit in einem staatlichen Krankenhaus in der nordwestlichen Stadt Saada im Jemen organisiert, hat zudem den Ruf, ein medizinisches Missionswerk zu sein.

Christlicher Eifer führte offenbar zu Spannungen

Der christliche Eifer der ausländischen Helfer hatte, wie jemenitische Medien berichteten, bereits vor der Tat zu religiösen Spannungen am Einsatzort in Saada geführt. WWS ist nach Angaben der britischen `Times" mit dem Internationalen Missionswerk WEC (`Worldwide Evangelization for Christ") vernetzt. WWS-Chef Paul Lieverse firmiert zugleich als Führungsmitglied von `Medici Missionare', eine Stiftung, welche sich der `medizinischen Missionsarbeit" widmet. Das globale Missionswerk WEC, das im deutschsprachigen Raum `Weltweiter Einsatz für Christus" heißt, unterstützt und vermittelt Missionare in Hospitäler auch in der arabischen Welt, um dort `die Leidenschaft für Gott" zu entfalten.

In dem Krankenhaus in der jemenitischen Provinzhauptstadt Saada waren der Deutsche Johannes H. und seine Frau Sabine (beide 36) beschäftigt, die am 12. Juni mit ihren drei kleinen Kindern verschleppt wurden. Die beiden, berichtete der `Spiegel", sollen sich beim Missionswerk WEC auf ihren Einsatz als Haustechniker und Krankenschwester vorbereitet haben. Genauso wie der mit ihnen verschwundene britische Ingenieur. Die Geiseln befinden sich nach Einschätzung westlicher Geheimdienste in der Hand von Islamisten aus dem Dunstkreise des Terrornetzwerkes El Kaida.

Nach Angaben des jemenitischen Innenministers Mutahar al-Masri habe seine Regierung "Informationen, dass die sechs Geiseln noch leben".

Missionarische Ausbildung

Auch die drei ermordeten Frauen hatten eine missionarische Ausbildung durchlaufen, und zwar auf professionellem Niveau: Die beiden deutschen Todesopfer, Anita G. (24) und Rita S. (25) waren Studentinnen der Bibelschule Brake, die auf die Evangelisierungsarbeit im Ausland vorbereitet und mit dem Missionswerk WEC zusammenarbeitet. Die getötete Südkoreanerin Eom Young-sun (34) hatte Theologie studiert und sich dann beim WEC für die Missionstätigkeit fortgebildet. Nach Angaben des `Spiegel" liegen auch im Krisenstab in Berlin Erkenntnisse vor, dass die deutschen Helfer durch Missionsversuche im jemenitischen Norden für Unfrieden gesorgt hatten: Sowohl von Johannes H. wie auch von den beiden deutschen Praktikantinnen seien entsprechende Dokumente aufgetaucht. Jemens Innenministers al-Masri sagte, die heimischen Sicherheitsbehörden hätten die Ausländer wegen einer drohenden Anschlagsgefahr "gewarnt, sich außerhalb ihres Arbeitsbereiches zu bewegen".

Am 12. Juni hatte die insgesamt neunköpfige Ausländergruppe die Stadt Saada zu einem Ausflug ins bergreiche und unwegsame Hinterland verlassen. Zeugenangaben zufolge wurden sie von `drei bärtigen Männern" überfallen. Die drei jungen Frauen wurden umgehend erschossen, die fünfköpfige deutsche Familie und der Brite entführt. Die islamische Republik Jemen gilt als Hochburg El Kaidas.