Die Computerspiele-Branche weist eine Mitverantwortung für den Amoklauf von Winnenden zurück. Auch schärfere Regeln zum Jugendschutz oder ein Verbot so genannter "Killerspiele" lehnt Olaf Wolters, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware, im WAZ-Gespräch ab.
Als Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden wird ein Verbot von brutalen Computerspielen gefordert. Sollte man so genannte Killerspiele ächten oder verbieten?
Wolters: Es ist nicht verwunderlich, dass nach einem solch tragischen Ereignis einfache Erklärungsversuche unternommen werden. Aber ein Verbot von Killerspielen wäre nicht zielführend. Die Debatte verstellt den Blick auf die wahren Umstände des Amoklaufs.
Was bringt sie zu dieser Einschätzung?
Wolters: Gewaltverherrlichende Spiele sind in Deutschland längst verboten. Wenn versucht wird, das Unfassbare zu erklären, ist es immer einfach, mit dem Finger auf die Computerspiel-Branche zu zeigen.
Gleichwohl: Die Amokläufer von Winnenden und Erfurt haben Killerspiele wie „Counterstrike“ gespielt. Weshalb bestreiten Sie eine Verbindung?
Wolters: Wir sollten in der Bewertung des aktuellen Falls sehr vorsichtig sein, denn es gibt sehr unterschiedliche Informationen über das Leben des Täters. Fast alle Jugendlichen in Deutschland beschäftigen sich mit Computer- oder Videospielen. Millionen spielen so genannte Ego-Shooter. Viele Counterstrike-Versionen sind ab 16 Jahren freigegeben und sicherlich kein Killerspiel. Tim K. war ein 17-Jähriger. Robert Steinhäuser in Erfurt hat zwar „Counterstrike“ gespielt, aber er war mit seinen 19 Jahren volljährig. Wir reden hier also nicht über ein Jugendschutz-Problem.
Sondern?
Wolters: Es wird aus politischen Motiven versucht, die sehr komplexen Ursachen für einen solchen Amoklauf zu vereinfachen. Es geht um die Suche nach einem Sündenbock. So einfach aber kann man es sich nicht machen. Der junge Mann in Winnenden hatte psychische Probleme, Depressionen und möglicherweise ein Minderwertigkeitsgefühl. Für diese Depressionen kann man nicht Computerspiele verantwortlich machen.
Sie lehnen ein Verbot von Killerspielen ab?
Wolters: Definitiv. Es gibt Spiele, die sind so, dass man sie in Deutschland nicht haben möchte. Aber diese Spiele sind heute schon als „gewaltverherrlichend“ verboten. Weitergehende Verbotsregeln sind nicht sinnvoll und absolut unangemessen. Die Verbotsdebatte wird sehr populistisch geführt, wohl auch mit Blick auf den nahenden Wahlkampf.
Sollte man die bestehenden Regeln verschärfen, etwa die Altersfreigabe?
Wolters: Da bin ich sehr skeptisch. Wir haben die Regeln in den vergangenen Jahren stetig verschärft. Heute ist es so: Jedes Computerspiel, was auf den Markt kommt, wird den staatlichen Stellen vorgelegt und dort geprüft. Ich sehe keinen Raum für mehr staatlichen Einfluss.
Wäre es nicht möglich, Killerspiele schneller auf den Index zu setzen?
Wolters: Wir haben erst im vergangenen Jahr die gesetzliche Indizierung verschärft. Nun sind auch „gewaltbeherrschte“ Spiele indiziert.
Lernt ein Jugendlicher bei einem Ego-Shooter-Spiel den Amoklauf wie ein Pilot am Flugsimulator das Fliegen?
Wolters: Ein solcher Vergleich ist absoluter Unsinn. Es gibt eine große Kluft zwischen der realen und virtuellen Welt. Kein Jugendlicher lernt am Computer einen Amoklauf. Der junge Mann in Winnenden hat das Schießen doch in einem Schützenverein gelernt.
Könnte es sein, dass Killerspiele nicht alleinige Ursache für Gewaltexzesse Jugendlicher sind, aber ein Teil des Problems?
Wolters: Das ist mir zu weit hergeholt. Natürlich ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche altersgerecht spielen. Das ist allerdings der Fall, wenn die bestehenden Jugendschutzregeln eingehalten werden. Auch der Waffengesetze sind dazu da, eingehalten zu werden. Mit Counterstrike wurde noch kein Mensch erschossen, aber mit realen Waffen schon. Ich wundere mich, dass von einigen Politikern nun reflexartig eine Verschärfung des Waffenrechts abgelehnt wird. Warum reden wir über Computerspiele, wenn der Jugendliche freien Zugang zu einem Waffenarsenal hatte?
Hat die Computerspiele-Branche eine Mitverantwortung für den Amoklauf von Winnenden?
Wolters: Eine Mitverantwortung sehen wir überhaupt nicht.
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